Spür die Angst
Nenad. Du verstehen. Micke groß. Trotzdem. Du begreifen Männer, du gefragt hast?«
Jorge begriff.
Der Hass.
Der Trieb.
Die Jagd.
38
Abdulkarim und Fahdi landeten zwei Tage später in London als JW .
Das Erste, was sie nach ihrer Landung taten, war, die Pistole abzuholen. Sie nahmen ein Taxi zum Euston Square, wo ein Schwarzer an einem Zeitungskiosk in der Station wartete. Sie übergaben ihm ein Kuvert mit der im Voraus bestimmten Summe. Der Typ zählte rasch das Geld nach und nickte. Gab ihnen daraufhin einen Zettel.
Abdulkarim wollte auf keinen Fall reingelegt werden und sorgte dafür, dass der Typ nicht sofort wieder verschwand, hielt ihn noch eine Weile fest. Falls keine Waffe dort lag, würde er ihn zur Verantwortung ziehen.
Die Schließfächer besaßen ein Codeschloss. Der Typ zeigte ihnen auf Anhieb das richtige Fach. Der Code auf dem Zettel erwies sich also als richtig. Im Fach lag eine Sporttasche. Fahdi schnappte sie sich und griff mit seiner Hand hinein. Befühlte den Inhalt. Grinste breit.
Für den Rest des Tages unternahm JW mit ihnen eine Sightseeingtour mit einem privaten Guide. Abdulkarim überglücklich, war, seit er 1985 als kleiner Junge nach Schweden kam, noch niemals im Ausland gewesen.
Sie sahen Houses of Parliament, Big Ben, London Dungeon, drehten eine Runde im London Eye. Abdulkarims Favorit: London Dungeon, das Gruselkabinett mit den verzerrten Wachspuppen, den Guillotinen, der Garrotte, dem Galgen.
Der Guide war ein Schwede mittleren Alters, der seit siebzehn Jahren in London lebte. Er war an Klassen mit Sprachschülern und Reisegesellschaften aus Mittelschweden gewöhnt. An diesem Tag verstand sich der Guide allerdings nicht so recht auf seine Kunden, er hatte wahrscheinlich fälschlich angenommen, dass sie gewöhnliche, zivilisierte Männer wären. Stattdessen überhäuften Abdulkarim und Fahdi ihn mit dreisten Fragen. Wo befindet sich das nächste Striplokal? Wissen Sie, wie teuer der Schnee hier ist? Könnten Sie uns vielleicht helfen, an billiges Gras zu kommen?
Auf der Stirn des Mannes bildeten sich vor lauter Nervosität Schweißperlen. Offensichtlich war er völlig fertig.
JW grinste.
Als sich der Tag dem Ende zu neigte, wirkte der Guide extrem verängstigt. Sein Blick flackerte, wahrscheinlich befürchtete er, dass jeden Moment ein Bobby um die nächste Ecke biegen und ihn einbuchten würde. Sie bedankten sich bei ihm und gaben ihm ein ordentliches Trinkgeld.
Bevor sich ihre Wege trennten, fragte Abdulkarim noch: »Wir haben heute Abend vor, ins Hothouse Inn zu gehen. Hätten Sie Lust, uns zu begleiten?«
The Hothouse Inn: JW hatte Tickets besorgt. Es handelte sich um einen der teuersten Nachtclubs in ganz Soho.
Das Verrückte – der Typ sagte zu.
Abdulkarim zog eine Grimasse. »Oh. Ich hab nur einen Witz gemacht. Wir würden natürlich niemals dort hingehen. Solche Schweinereien. Schauen Sie sich so was etwa an?«
Der Guide wurde hochrot im Gesicht. Das rote Licht der Verkehrsampeln verblasste dagegen geradezu. Er machte auf dem Absatz kehrt und ging davon.
Sie prusteten los.
Tag zwei. JW , Abdulkarim und Fahdi fielen in die Shoppingmeilen ein.
London, die gelobte Stadt der Luxuskaufhäuser: Selfridges, Harrods. Aber am besten von allen: Harvey Nichols.
Sie hatten eine Limousine für den ganzen Tag gebucht.
JW hatte Abdulkarims Zimmer umgebucht und war am Tag zuvor selber in sein Hotel umgezogen, nachdem Abdulkarim gecheckt hatte, dass es sicher war. Fahdi hatte etwas später am selben Tag eingecheckt.
Sie starteten mit einem Hotelbrunch, Modell XL : Sausages, gebratener Speck, gegrillte Rippchen, Hähnchenschenkel, gebackene Kartoffeln, Pfannkuchen mit Sirup, sieben verschiedene Sorten Brot, Müsli, Kellogs Corn Flakes, Rühreier, drei verschiedene Sorten frisch gepresster Saft, Orangenmarmelade, Marmite, Vegemite, Massen an Käse – Stilton, Cheddar, Brie – Konfitüre, Nutella, Eis, Obstsalat. In rauen Mengen.
Sie schlemmten. Fahdi liebte Rührei und schaufelte sich gleich zwei Teller voll. Den Frauen mittleren Alters am Nebentisch fielen fast die Augen aus dem Kopf. Abdulkarim bestellte allein viermal frisch gepressten Saft. JW war das Ganze einerseits peinlich, andererseits amüsierte es ihn. Er rückte seine Manschettenknöpfe zurecht und schaute zu den Tischnachbarn herüber. Zwinkerte ihnen zu.
Genoss es irgendwie.
Die Limousine holte sie um dreizehn Uhr ab.
Abdulkarim war richtig gut drauf, prahlte damit, wie viel sie mit dem
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