Spür die Angst
Chef, als deinen Officer, deinen verdammten Präsidenten, was du eigentlich solltest. Aber das ist jetzt Geschichte. Deine Karriere ist zu Ende. Dickwanst.«
Mrado erwartete eine Kugel im Hinterkopf.
Nichts passierte.
Radovan winkte die Frau mit dem Essenswagen herein.
Sie servierte das Hauptgericht.
In dem Moment wusste Mrado: Er würde am Leben bleiben.
In einer neuen Situation. Degradiert.
Voller Scham.
Radovan sagte in neutralem Ton: »Ist dieses Filet nicht ausgesprochen mürbe? Ich lasse es direkt aus Belgien einfliegen.«
40
Außer seinem Racheprojekt gegen Radovan Kranjic war Jorges Leben on top. Er verdiente richtig viel Schotter. Fühlte sich wohl mit Abdulkarim, Fahdi, Petter und den anderen Dealern weiter unten in der Hierarchie. Er hatte sich auch mit Mehmed gut verstanden, und jetzt tat er ihm leid – es war immer noch unklar, ob die Bullen ihn festnageln konnten. Er verstand sich sogar gut mit JW , dem Östermalmsnob. Auch wenn der Typ irgendwie merkwürdig war. Eine Art Doppelleben zu führen schien. In zwei Welten verkehrte. Den Überlegenen spielte. Gleichzeitig schien er allerdings scharf darauf, sich jede Menge von Jorge abzugucken, wirkte ernsthaft interessiert. Und nicht zuletzt war der Typ absolut geil auf schmutziges Geld.
Im Gegenzug war Jorge geil auf JW s zweites Leben – Stureplan. Jorge hatte in den umliegenden Kneipen schon oft gefeiert. Hatte dutzendweise heiße Bräute auf einen Drink eingeladen. Den Türstehern einen Schein zugesteckt und so die Schlangen umgangen. Frischfleisch aufgegabelt und es vom Fleischmarkt mit zu sich nach Hause genommen.
Und dennoch fehlte etwas. Er sah es den schwedischen Schnöseln an. Wie viel Cash er auch ausgeben mochte, er würde niemals auf einer Stufe mit ihnen stehen. Jorge spürte es. Jeder Einwanderer in der Stadt spürte es. Wie sehr sie auch kämpfen mochten, ihr Haar mit Wachs stylten, die richtigen Klamotten kauften, ihren Ruf verteidigten und aufgemotzte Schlitten fuhren – sie gehörten einfach nicht zu IHNEN .
Die Demütigung lauerte an jeder Ecke. Sie war an den Reaktionen der Verkäuferinnen zu erkennen, an den Ausweichmanövern älterer Frauen auf dem Bürgersteig und an den Gesichtsausdrücken der Bullen. Sie machte sich in den herablassenden Blicken der Türsteher bemerkbar, den Mienen der Bräute, den Gesten der Barmänner. Die Botschaft war deutlicher als jede Einwanderungspolitik der Stadt Stockholm – am Ende bist und bleibst du ein Asy.
JW , Abdulkarim und Fahdi waren in London. Hatten vor, eine große Sache an Land zu ziehen. Jorges Aufgabe zu Hause bestand darin, die Stellung zu halten. Dafür zu sorgen, dass die Ladung, die über Silvia eingeschleust worden war, unter die Leute kam. Kein Problem, das Zeug würde Abnehmer finden wie Magnum-Eis an einem Sommertag.
Jorge hatte sich eine Wohnung in Helenelund gesucht. Die Nähe zu seiner alten Heimat gefiel ihm. Er hatte sie aus zweiter Hand von einem Kumpel Abdulkarims gemietet. Sie war ziemlich stylish eingerichtet: LCD -Fernseher mit Zweiundvierzig-Zoll-Flachbildschirm, DVD -Player, Stereoanlage, Xbox, Laptop.
Er liebte sein Leben als neuer Jorge. Mestizen-Jorge mit Flow in den Hüften.
Liebte seine neuen Freunde. Den Lebensstil. Die ansehnlichen Bündel mit Scheinen.
Doch etwas nagte – der Hass.
Vor drei Tagen hatte er Nadja, die Nutte, getroffen. Es waren immer noch eine Menge Fragen offengeblieben. Wer war eigentlich dieser Micke, und in welcher Hinsicht würde er Jorge helfen können? Wer waren die Typen, die sie ihm genannt hatte: Jonas und Karl alias Jätte Karl? Und wie würde er sich in Radovans Hurensumpf einschleusen können?
Er fühlte sich gestresst. Hatte noch nichts Entscheidendes erreicht. Hatte aufgehört, in diversen fahrbaren Untersätzen vor Radovans Haus zu sitzen, weil es keinen Sinn machte. Vielleicht hätte er schon früher umdenken müssen. Auf Informationen über Radovans Drogengeschäfte setzen sollen. Vielleicht auch nicht. Die Bedrohung für Jorge selbst und die Leute, die ihm wichtig waren, erschien ihm zu groß.
Die Nuttenspur war besser. Außerdem nahm sein Job für Abdulkarim immer mehr Zeit in Anspruch. Mehmed musste ersetzt werden. Neue Leute mussten rekrutiert werden. Jorges Idee: möglicherweise sein Cousin Sergio. Oder Eddie. Oder auch sein Kumpel Rolando, sobald er aus Österåker rauskäme. Sergio war ein Held, er hatte Jorge zur Flucht aus Österåker verholfen. Bisher nur mit ein paar Tausendern entlohnt.
Weitere Kostenlose Bücher