Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
Vom Netzwerk:
Geographiestunden in der Schule regelmäßig geschwänzt hatte.
    Breitete alle Unterlagen vor sich aus. Bat um ein Lineal. Ging Karte für Karte durch. Luftaufnahme für Luftaufnahme. Suchte sich die Karten heraus, die die Beschaffenheit der Gegend und die Wege am besten darstellten. Wählte die detailgenauesten Fotos aus. Suchte nach nahegelegenen Wegen, möglichst dicht an Waldgebieten, deutlich eingezeichneten Pfaden. Studierte die Wachbereiche, die ihm bekannt waren. Suchte nach nahe gelegenen Autobahnauffahrten. Möglichen alternativen Streckenanbindungen. Prägte sich die Zeichen der Legende für Moorgebiete, Anhöhen, Wälder ein. Stellte fest, wo die Bodenbeschaffenheit okay war. Maß die Strecken aus. Abstrahierte. Überlegte. Markierte. Beurteilte.
    Welcher war der beste Weg nach draußen?
    Die Gebäude: zwei einstöckige Hauptgebäude mit den Zellen der Insassen sowie ein zweistöckiges Haus mit den Arbeitsbereichen und dem Speisesaal. Außerdem gab es noch eine Krankenstation und ein mehrstöckiges Haus für die Aufseher mit eigenem Speisesaal und den Besucherräumen. Zwischen den erst- und letztgenannten Gebäuden war eine weitere Mauer gezogen.
    Die Außenbereiche der Anstalt. Kahlgeschorenes Gebiet im Umkreis von circa dreißig Metern, mit Ausnahme einiger weniger kleiner Büsche, Sträucher und selbstausgesäter Bäume. Daran angrenzend kilometerweise Wald. Von kleineren Pfaden durchzogen.
    Er schloss die Augen. Prägte sich die Informationen ein. Studierte die Bilder und Karten erneut. Ging den ganzen Stapel noch einmal durch. Kontrollierte, welche Symbole Höhenlinien, welche Wege und welche Wasserstellen kennzeichneten. Verglich die Maßstäbe. Jede Karte besaß einen anderen. Ein Zentimeter waren fünfzig Meter, ein Zentimeter waren dreihundert Meter, und so weiter. Jorge: sorgfältiger, als er es je von sich gedacht hätte. Verschaffte sich einen Überblick über die Umgebung.
    Schließlich kristallisierten sich in seinem Kopf drei alternative Ausgangspunkte für eine Flucht heraus und drei für die Positionierung eines Fluchtwagens. Er kopierte eine der Karten. Strich die ausgewählten Orte darauf an. Nummerierte sie. Ort a, b und c. Ort eins, zwei und drei. Prägte sie sich ein.
    Ging noch einmal alles der Reihe nach durch.
    Verließ den Lesesaal.
    Die Aufseher schauten gelangweilt drein. Jorge entschuldigte sich bei ihnen. Er wollte es sich nicht ausgerechnet heute mit ihnen verscherzen. Sie schienen froh zu sein, dass er fertig war.
     
    Der nächste Tagesordnungspunkt war der wichtigste von allen an diesem Tag: Jorges Cousin Sergio. Ein alter Kumpel aus seiner Zeit in Sollentuna. Der Schlüssel zu seinem Plan.
    Jorge betrat mit den Schließern im Schlepptau die McDonald’s-Filiale an der Stadtbibliothek. Der Geruch nach Hamburgern weckte Erinnerungen.
    Sie wurden mit einem breiten Grinsen begrüßt.
    »
Primo!
Wie schön, dich zu sehen.«
    Sergio trug einen schwarzen Trainingsanzug. Ein Haarnetz wie ein richtiger Koch. Er begrüßte Jorge, indem er seine Faust gegen die von Jorge stieß. Klassischer Gruß in allen Gangs. Jorge fand es übertrieben, dass sein Cousin diesen Gangsterstil durchzog, obwohl die Aufseher zusahen.
    Sie setzen sich. Hielten Smalltalk. Alles auf Spanisch. Sergio lud sie alle zu Hamburgern ein. Superlecker. Die Aufseher saßen an einem anderen Tisch. Fraßen wie die Schweine.
    McDonald’s machte einen moderneren Eindruck als damals, als Jorge zuletzt dort gewesen war. Neue Einrichtung. Helle Holzstühle. Die Bilder der Burger aufgepeppter. Die Kassiererinnen schienen ebenfalls aufgepeppter. Mehr Salat und mehr Grün – Jorges Auffassung: Kaninchenfutter. Und dennoch war der Laden für ihn ein Symbol der Freiheit. Gewiss, es klang verrückt, geradezu lächerlich, aber McD war für J-Boy etwas Besonderes. Sein Lieblingsrestaurant. Ein Treffpunkt. Die Grundnahrung aller Vorstadtjungs. Bald würde er dort wieder nach Belieben herumhängen können.
    Er fühlte sich gestresst. Musste zur Sache kommen.
    Erklärte Sergio mit wenigen Worten seine Fluchtpläne. »Drei Orte mit jeweils drei Alternativen sind auf einer Karte eingezeichnet. An einem Ort mit einer Ziffer soll das Auto stehen. An einem Ort mit Buchstaben sollst du das machen, was in den übrigen Instruktionen steht. Ich weiß noch nicht, welche Orte sich am besten eignen. Muss noch mal drüber nachdenken. Ich werd dir ’nen Brief schreiben, in dem in der dritten Reihe von unten die Ziffer und der Buchstabe steht,

Weitere Kostenlose Bücher