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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Blick. Hatte es ihm leichter gemacht, Schnee zu verkaufen, wenn es sich gerade anbot.
     
    In der Woche arbeiteten sie in verschiedenen Werkstätten. Durften zweimal am Tag raus: eine Stunde um die Mittagszeit und dann wieder zwischen fünf Uhr nachmittags und dem Abendessen um sieben. Danach: ab in die Zelle. Hinter Schloss und Riegel. An den Wochenenden durften sie länger draußen sein. Spielten Fußball oder Basketball. Trainierten mit Gewichten. Hingen mit den anderen aus der Gang zusammen. Rauchten, quatschten, genehmigten sich den einen oder anderen Joint, wenn die Aufseher nicht hinschauten. Jorge trainierte.
    Er hatte außerdem ein Fernstudium an der Schule für Erwachsenenbildung, dem Komvux, angefangen. Wurde von der Gefängnisleitung hoch geschätzt. Eröffnete ihm ganz offiziell die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Dementsprechend saß er jeweils zwischen fünf Uhr und dem Abendessen bei offener Zellentür und las. Ein
Show-off,
der funktionierte. Die Aufseher nickten zustimmend.
Putos.
Hurensöhne.
    Die Zelle klein: sechs Quadratmeter, hellbraun gestrichen, das Fenster maß einen halben Quadratmeter. Drei weißlackierte, im Abstand von zweiundzwanzig Zentimetern waagerecht angebrachte Stahlstäbe verhinderten eine mögliche Flucht. Dennoch hatte Ioan Ursut, der König, es geschafft. Er hatte drei Monate gehungert und sich dann mit Butter eingeschmiert. Jorge überlegte immer wieder, was wohl schwerer war, den Kopf oder die Schulterpartie hindurchzuzwängen.
    Die Einrichtung war spartanisch. Ein Bett mit dünner Schaumgummimatratze, ein Schreibtisch mit zwei Regalbrettern darüber und einem dazugehörigen einfachen Stuhl mit Lehne, ein Kleiderschrank und eine Hutablage. Keine Möglichkeit, irgendwo irgendetwas zu verstecken. An der Wand entlang verlief eine Holzleiste für die Befestigung von Bildern. Nichts durfte direkt an die Wand geklebt werden – das Risiko, dass jemand Hasch oder Ähnliches darunter versteckte, war zu groß. Jorge hatte das Bild von seiner Schwester sowie ein Poster aufgehängt. Klassiker in Schwarzweiß: Che mit zerzaustem Bart und Baskenmütze.
    Die Aufseher durchsuchten die Zellen mindestens zweimal die Woche. Suchten nach Drogen, Sprit oder großen Metallgegenständen. Kämpften gegen Windmühlen. In der Anstalt wimmelte es nur so von Hasch, selbstgebranntem Sprit und Subutextabletten.
    Die Atmosphäre verursachte bei ihm oftmals ein Gefühl von Platzangst. An anderen Tagen kam er besser damit zurecht – die Gedanken an die Flucht waren dann wie ein phantastischer Trip. In der Zwischenzeit benahm er sich wie ein verdammter heimlicher Fixer. Entzog sich allem und jedem. Völlig unnötig und nicht ganz ungefährlich. Wenn irgendwer einen Verdacht bezüglich seines Plans hegen würde, wäre die Sache gelaufen – der Pisser würde den Scheißaufsehern in den Arsch kriechen und ihn verpfeifen.
    Er dachte über seine Vergangenheit nach. Die latent rassistischen Lehrer in Sollentuna. Die geistig beschränkten Tanten vom Sozialamt, feige Nachhilfelehrer, aufmüpfige Bullen. Die besten Voraussetzungen für vorherbestimmte Fehltritte eines Jungen aus dem Ghetto. Sie hatten nicht den Hauch einer Ahnung vom realen Leben. Die Schlägertypen aus den Gangs hatten ihre eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit. Aber Jorge beschwerte sich nicht. Besonders jetzt nicht. Denn bald würde er draußen sein.
    Er dachte über den Kokshandel nach. Entwarf Strategien. Analysierte sie. Ersann Ideen. Guckte sich einiges von Rolando und den anderen ab.
    Träumte wirres Zeug. Schlief schlecht. Versuchte zu lesen. Holte sich einen runter. Hörte Eminem, The Latin Kings und Santana. Dachte an sein Training. Onanierte erneut.
    Die Zeit ging einfach nicht rum.
     
    Jorge sondierte die Lage. Dachte nach. Kalkulierte. Schwankte zwischen Glücksrausch und Angst. Nahm sich selbst so wichtig wie nie zuvor. Hatte sich niemals in seinem Leben so intensiv mit einer Sache beschäftigt. Es musste einfach funktionieren. Jorge kannte niemanden draußen, der bereit war, ein zu hohes Risiko einzugehen. Folglich war er gezwungen, das meiste selbst zu organisieren. Aber nicht alles.
    Rolando hatte nach ihrer Diskussion im Speisesaal kein weiteres Wort über Jorges Fluchtpläne fallenlassen. Auf den Typen schien Verlass zu sein. Und wenn er doch gesungen haben sollte, würden in Österåker schon längst die wildesten Gerüchte kursieren. Aber Jorge wollte ihn noch ein bisschen mehr testen. Sich absichern, denn es wurde

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