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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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dürfen. Und zweitens, wie schnell sie die Suche nach einem Knacki einleiten können, der über eine Mauer hinweg flieht, höchstwahrscheinlich die am Haus D auf der Südseite.«
    Walter nippte an seinem Bier. An seiner Oberlippe blieb Schaum hängen.
    Begann zu erzählen, was er im Sommer erlebt hatte. Uninteressanter Smalltalk. Jorge sah es ihm an: Walter dachte nach, überlegte, wollte aber zum Schein für die Aufseher seinen Mund in Bewegung halten.
    Jorge schielte zu ihnen rüber. Sie unterhielten sich. Chillten.
    Soft.
    Er entspannte sich.
    Walter wusste eine ganze Menge. Ging im Geiste das durch, was ihm zu Jorges Frage einfiel. Wertvolle Informationen. Verwendbare. Zum Beispiel: die Lage der überwachten Gebiete und die Anordnung der Kameras, die Organisation der Bereitschaftsdienste, Kommunikationscodes, vorherbestimmte Abläufe. Die Zeiten des Schichtwechsels, der Plan für die Leibesvisitationen, die Alarmsysteme. Die Einsatzpläne A und B, wovon A für den Fluchtversuch eines einzelnen Insassen und B für einen Fluchtversuch mehrerer Insassen galt. Ließ C weg, den Einsatzplan für einen Aufstand. Walters Wissen war Gold wert.
    Jorge war ihm ewig dankbar. Versprach, Walters Fünftausend innerhalb der nächsten Wochen lockerzumachen.
    Die Aufseher winkten.
    Zeit zurückzufahren.
    J-Boy zu sich selbst: Jetzt hab ich mehr als die Hälfte im Kasten.

5
    Keiner im gediegenen Teil von Stockholm wusste Folgendes über Johan Westlund, alias JW , den verwegensten Yuppie unter den Yuppies. Zum Beispiel, dass er nur ein ganz gewöhnlicher Mitbürger, ein Loser, eine tragische Figur war. Sein Leben war ein einziger Bluff, ein Fake, und er spielte ein riskantes Doppelspiel – lebte zwei oder drei Tage in der Woche ein Luxusleben mit den Boys, während er den Rest der Zeit extrem sparsam sein musste, um einigermaßen über die Runden zu kommen.
    JW benahm sich zwar wie ein ultracooler Yuppie, aber in Wirklichkeit war er ein verdammt armes Schwein.
    Fünfmal die Woche aß er Pasta mit Ketchup, ging niemals ins Kino, fuhr schwarz mit der U-Bahn, ließ Klopapier aus den Toilettenräumen der Universität mitgehen, klaute Lebensmittel bei ICA und Burlingtonstrümpfe bei NK , schnitt sich die Haare selbst, kaufte seine Markenklamotten secondhand und schlich sich ohne Karte ins Fitnessstudio, wenn die Mädels an der Kasse gerade beschäftigt waren. Er wohnte zur Untermiete bei einer Frau Reuterskiöld – das wussten Putte, Fredrik, Nippe und die anderen Jungs. Sein Status als Untermieter war das Einzige an seiner realen Situation, was er nicht hatte vertuschen können. Und es wurde irgendwie akzeptiert.
    JW hatte sich inzwischen zu einem Experten für Sparstrategien entwickelt. Er benutzte seine Kontaktlinsen nur an Tagen, an denen es unbedingt nötig war, und ließ die Monatslinsen weitaus länger als angegeben drin, bis seine Augen ohne Ende juckten. Er nahm jedes Mal seine eigene Plastiktüte mit, wenn er einkaufte, mischte sich zum Frühstück sein eigenes Müsli, kaufte Lebensmittel der Marke Euroshopper, goss Billigwodka aus Deutschland in Absolutflaschen um – und auf wundersame Weise merkten die anderen nie etwas.
    Wenn keiner zusah, lebte JW ein Hundeleben.
Big time.
    Seine Einnahmen deckten mit Mühe die Unkosten, die er hatte. Zum Glück bekam er Geld vom Staat: ein Stipendium, ein Studiendarlehen und Wohngeld. Aber das reichte angesichts seines Lebensstils natürlich nicht. Die Rettung war sein Extrajob: schwarz Taxi fahren.
    Was er genau ausgab, war schwer zu berechnen. An einem Abend mit den Boys verprasste er locker um die zweitausend Kronen. Nahm dann mit etwas Glück an einem Abend mit dem Taxi dieselbe Summe wieder ein – wenn es gut lief. Seine Stärke als Chauffeur: Er war jung, schwedischer Abstammung und sah gut aus. Man konnte also ohne Probleme bei JW einsteigen.
    Die Schwierigkeit bei dem Spiel war letztendlich, auf ganzer Linie einer von ihnen zu werden. Er las Fredrik & Charlotte, das Buch über die Lebensgewohnheiten auf Östermalm, erlernte ihren Jargon, die Etikette, ihre Regeln und ihren ungeschriebenen Verhaltenskodex. Lauschte ihrer Art zu reden, dem leicht nasalen Tonfall, und versuchte seinen eigenen norrländischen Dialekt abzulegen. Er lernte, das Wort prollig im richtigen Zusammenhang zu benutzen, wusste bald, welche Klamotten hip, welche Skiorte in den Alpen up to date und welche Ferienziele in Schweden im Sommer in waren. Es war nicht schwer, sie an einer Hand aufzuzählen. Torekov,

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