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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Zeit, dass er Teile seines Plans offenlegte. Tatsache war, dass er Rolandos Hilfe benötigte.
    Die erste große Hürde: Er musste mit gewissen Personen sprechen, und er musste einige Dinge vorbereiten. Brauchte Zeit außerhalb der Anstalt. Österåker erteilte seit einiger Zeit keinen herkömmlichen Hafturlaub mehr. Hingegen: Die Insassen konnten die Möglichkeit nutzen, begleiteten Ausgang zu erhalten, wenn sie besondere Gründe angaben. Jorge hatte genau das vor zwei Monaten beantragt. Den Antrag Nummer 426 a ausgefüllt. Als Gründe »studieren und die Familie besuchen« angegeben. Klang durchaus plausibel. Außerdem stimmte es.
    Sie erachteten es als vorbildlich, dass er studierte. Fanden es gut, dass er keiner Gang angehörte. Er wurde allgemein als umgänglich eingeschätzt. Machte keinen Ärger. War nie bekifft. Krakeelte nicht rum. War folgsam, ohne sich anzubiedern.
    Sie bewilligten ihm einen Tag, den 21 . August, für Studienbelange und ein Treffen mit Familienangehörigen. Er bekam sogar die Erlaubnis, einkaufen zu gehen und Freunde zu treffen. Der erste Tag außerhalb der Mauern, seitdem er reingewandert war. Sie erstellten einen Zeitplan. Es würde ein hektischer Tag werden. Phantastisch. Vielleicht würde er es schaffen, all seine Vorhaben umzusetzen, er musste gut vorbereitet sein. J-Boy wollte um keinen Preis den Rest seines Lebens in Österåker dahinvegetieren und langsam verrotten.
    Das einzige Problem – bei dieser Art Ausgang waren immer drei Aufseher anwesend.
     
    Schließlich kam der Tag X. Zwölf Stunden volles Programm, akribisch geplant.
    Jorge plus die Aufseher stiegen um neun Uhr in den Minibus der Anstalt und fuhren in Richtung Stockholm. Direkt zur Stadtbibliothek.
    Jorge witzelte während der Fahrt mit den Schließern.
    Die Stimmung im Minibus war entspannt.
    Ein guter Start in den Tag.
     
    Fünfzig Minuten später parkten sie in der Innenstadt.
    Odengata.
    Sie stiegen aus.
    Gingen die Treppe zur Stadtbibliothek hoch.
    Drinnen: die Rotunde. Jorge war beeindruckt von der Deckenhöhe. Die Aufseher beobachteten ihn aus den Augenwinkeln. Architekturinteressiert, oder?
    Er bat darum, Riita Lundberg sprechen zu dürfen. Die Superbibliothekarin. Er hatte schon vorher per Telefon seine Story zum Besten gegeben: dass er in einem Gefängnis eine Art Fernstudium am Komvux absolvierte und ordentliche Abschlussnoten brauchte, um nach seiner Entlassung ein neues Leben beginnen zu können. Schnief, schnief. Im Moment war er gerade dabei, eine Hausarbeit über die Geschichte Österåkers und den Ort im Allgemeinen zu verfassen. Er würde sich gern über die Entwicklung der Siedlungsgeschichte informieren.
    Riita tauchte auf. Sah genau so aus, wie Jorge sie sich vorgestellt hatte: kommunistische Akademikerin in selbstgestricktem Wollpullover. Mit einer Halskette, deren Anhänger an einen aufgeblasenen Pimmel erinnerte. Der Inbegriff einer Bibliothekarin schlechthin.
    Die Aufseher verteilten sich in der Rotunde. Setzen sich in die Nähe des Ausgangs. Beobachteten ihn aus der Entfernung.
    Jorge sprach mit samtweicher Stimme. Versuchte seinen Rinkebydialekt zu kaschieren: »Hej, sind Sie Riita Lundberg? Ich bin Jorge. Wir haben neulich miteinander telefoniert.«
    »Ja, genau. Dann sind Sie derjenige, der eine Arbeit über die Kulturgeschichte Österåkers schreibt?«
    »Wenn man so will, ja. Ich finde, es ist ein absolut interessantes Gebiet. Schon seit Jahrtausenden besiedelt.« Jorge hatte sich informiert. In der Anstalt lagen Broschüren aus. Außerdem konnte man sich einige Bücher in der Bibliothek des Knasts ausleihen. Er fühlte sich wie ein Meister der billigen Tricks.
    Wenn nur die Aufseherfritzen nicht mithörten.
    Sie kaufte ihm die Lüge ab. Hatte ihm alles besorgt, was er telefonisch bestellt hatte. Einige Bücher über die Gegend. Aber vor allem – Karten und Satellitenaufnahmen.
    Liebste, tüchtigste Riita.
    Die Aufseher vergewisserten sich, dass die Fenster im Lesesaal genügend Abstand zum Boden aufwiesen. Dann warteten sie im großen Saal, nahe dem Ausgang.
    Die Situation war entspannt. Sie kapierten
nada.
     
    Drei Stunden intellektuelle Auseinandersetzung mit Karten und Bildmaterial. So etwas war er nicht gewöhnt. Aber ganz so unbedarft war er nun auch wieder nicht. Hatte schon Wochen zuvor die Ausschnittkarten im Telefonbuch studiert und die Atlanten in der Bibliothek der Anstalt durchgeblättert, um zu verstehen, wie man damit umging. Bereute im Nachhinein, dass er die

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