Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
Vom Netzwerk:
finde, oder ich niete dich um.«
    Die Puffmutter kreischte: »Was glaubst du eigentlich, wer du bist?«
    Die Folge ihrer Stimmerhöhung – aus irgendeiner dunklen Ecke im Flur tauchte Zlatko auf.
    Die Aufpasserin krakeelte weiter rum. Schrie ihn an, er solle sich verpissen. Und dass er sein aufmüpfiges Auftreten noch bedauern würde.
    Zlatko baute sich im Abstand von dreißig Zentimetern vor Jorge auf – sein Atem roch nach Scheiße – und sagte mit beherrschter Stimme: »Hab ich es dir nicht gerade eben am Telefon gesagt? Bist du etwa schwer von Begriff? Hör auf, hier rumzuschnüffeln. Mach dich aus dem Staub.«
    Superserbischer Stil. Erinnerte ihn an Mrado.
    Er spürte wieder die Schläge auf seinem Rücken. Auf den Beinen. Armen.
    Jorge riss die Schrotflinte hoch.
    Ein Schuss auf Zlatko.
    Sein Bauch verschwand. Stattdessen ein klaffendes Loch.
    Seine Eingeweide an der Wand hinter ihm.
    Die Puffmutter schrie.
    Noch ein Schuss – ihr Kopf verschwand. Die Hirnsubstanz auf dem Samtsofa.
    Der Rückstoß gegen Jorges Schulter. Tat weh.
    Jorge klappte die Waffe auf. Grub mit der Hand in der Hosentasche. Lud nach, zwei neue Patronen.
    Aus dem Flur kam ihm ein Mann entgegen. Kreideweißes Gesicht. Bloßer Oberkörper. Offener Hosenstall. Völlig geschockt.
    Jorge schoss. Verfehlte sein Ziel. Ein Loch von einem Quadratmeter in der Rigipswand. Es staubte.
    Er sprang auf ihn zu. Der Mann stolperte über seine heruntergelassenen Hosen.
    Weinte. Flehte.
    Jorge stand über ihm. Den doppelten Lauf auf seinen Kopf gerichtet.
    Durchsuchte seine Taschen. Fand eine Brieftasche. Nahm den Führerschein heraus.
    Las laut: »Torsten Johansson. Du hast mich nie gesehen.«
    Der Mann lag am Boden, wimmerte.
    Ansonsten war es still in der Wohnung.
    »Gib mir dein Handy. Leg dich auf den Bauch. Die Hände hinter den Kopf. Ich muss kurz was checken.«
    Der Mann rührte sich nicht. Er hatte seinen Kopf zwischen den Armen vergraben. Die Knie wie ein Embryo zum Bauch hochgezogen.
    »Kapierst du etwa kein Schwedisch, hä? Tu, was ich sage. Und zwar schnell.«
    Der Mann rappelte sich auf. Fummelte in seiner Hosentasche. Zog ein Handy heraus. Gab es Jorge. Nahm die Hände wieder hinter den Kopf.
    Jorge noch einmal: »Du hast mich nie gesehen.«
    Er warf einen Blick in die Zimmer der Nutten. In einem hockte ein Mädchen zusammengekauert an die Wand gedrückt, den Kopf zwischen den Knien – es war nicht Nadja.
    Jorge ging in den Flur hinaus. Würdigte die leblosen Körper keines Blickes. Stieg geradewegs über das Chaos hinweg. In die Küche.
    Dort war es ziemlich versifft. Ein kleiner Tisch aus weißem Holz und ein Stuhl mit einem Rahmen aus Stahlrohr und weicher Sitzfläche. Überall Kaffeeflecken. Am Kühlschrank klebte jede Menge Werbung von verschiedenen Pizzerien in Hallonbergen, mit Magneten der Wahlkampagne der Sozialdemokraten von 2002 befestigt.
    Auf dem Tisch stand ein Laptop. Wie Jorge es erwartet hatte.
    Das Beste daran – er war eingeschaltet. Jorge setzte sich auf den Stuhl. Der Laptop lief mit Stromkabel. Die Frage: Wenn er das Kabel rauszog, würde die Batterie dann den Betrieb übernehmen, oder würde er abstürzen?
    Jorge war nicht gerade ein Computerfreak. Aber eins wusste er, nämlich dass er, wenn der Computer abstürzte, höchstwahrscheinlich ein Passwort benötigte, um ihn erneut zu starten. Er würde sich also das Ganze zunichtemachen, wenn er nicht wieder reinkam.
    Abwägungen in einem kokaingetrübten Hirn: Er konnte nicht länger als noch ein paar Sekunden in der Wohnung bleiben. Hatte er etwas angefasst?
    Nein.
    Er riskierte es – zog den Stecker raus.
    Starrte auf den Bildschirm.
    Gott liebte Jorge.
    Der Computer lief noch.
    Er rannte in Richtung Wohnungstür. Den Flur entlang. Wollte gerade mit der Hand die Türklinke runterdrücken, als irgendwo ein Telefon klingelte. Old Phone, der Klingelton von Sony Ericsson – klang wie ein altes Bakelit-Telefon mit Drehscheibe. Es musste irgendjemandes Handy sein. Entweder das des Freiers, der Puffmutter, des Zuhälters oder einer der Prostituierten. Er kontrollierte das des Freiers. Es klingelte nicht. Jorge horchte. Sah das Blut. Die Spuren von Blut- und Hirnsubstanz an Wänden und Fußboden. Ortete es schließlich. Das Klingeln kam aus der Jacketttasche des Zuhälters.
    Er hielt die Schrotflinte in der einen Hand. Den Laptop in der anderen. Schwer auszubalancieren. Legte den Computer ab. Suchte in der Tasche des Jacketts. Die Vibrationen jetzt deutlich zu

Weitere Kostenlose Bücher