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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Bewegungsmuster. Legte sich neue Gesten zu. Eine andere Sprechweise.
    Seine neue Frisur nach zwölf Stunden: Locken. Es war nicht ganz so kraus geworden, wie er gedacht hatte, obwohl er die Papilloten doppelt so lange dringelassen hatte wie auf der Packung angegeben.
    Er schmierte sich mit Selbstbräunungscreme von Piz Buin ein, die dunkelste Abstufung. Die Bräunung sollte laut Anleitung auf der Rückseite der Tube drei Tage lang vorhalten. Das müsste ausreichen.
    Das endgültige Ergebnis – er sah aus wie ein Mestize,
el mestizo macanudo.
Noch eine kleine Nasen- und Lippenkorrektur, und nicht mal seine Mutter würde ihn wiedererkennen.
    Wunderbar.
     
    Die Jalousien heruntergelassen. Ein diffuses gräuliches Licht in den Räumen.
    Die Wohnung war klein. Zwei Zimmer, Küche, Bad. Im Schlafzimmer stand ein schmales unbezogenes Bett. Jorge dachte eigentlich, dass sie Bettwäsche im Pflegeheim hätten. Aber hier hatten sie offensichtlich alles eingesackt, als sie die Dame holten. Im Wohnzimmer standen ein Sofa, ein Fernseher und ein niedriger Wohnzimmertisch aus dunklem Holz, auf dem Fußboden lag ein Teppich. Von der Decke hing eine Lampe mit einem gelben Glasschirm. Die Bücherregale waren angefüllt mit Familienfotos, Postkarten aus Chile und Büchern. Hauptsächlich spanische. Er fragte sich plötzlich, ob sie Familie gehabt hatte. Betrachtete die Postkarten. Las einige. Verlor nach einer Weile die Lust. Die Asics-Schuhe hatten nicht gehalten, was sie versprochen hatten. Sein Fuß tat immer noch weh. Wahrscheinlich war er verstaucht.
    Um die Mittagszeit klingelte er bei den Nachbarn über, unter und neben ihm. Versteckte sich im Treppenaufgang, für den Fall, dass sie öffneten. Keiner zu Hause. Also konnte er getrost fernsehen.
    Stellte den Apparat leise. Es gab keinen Kabelanschluss. Er stellte das Testbild ein und hörte Nachrichten. Nichts über ihn. Dann guckte er Wiederholungen, Matineefilme und Teleshop. Wurde unruhig.
    Probte erneut seinen Laufstil. Versuchte einen Rhythmus zu finden. Die Arme locker schwingen zu lassen. Das rechte Bein ließ er vor dem Aufsetzen einen kleinen Umweg machen.
Nigga with attitude.
Gangstil mit Charakter. Fließende Bewegungen. Nichts Gekünsteltes, es sollte natürlich aussehen. So, als hätte er sich sein ganzes Leben lang schon so bewegt. Als hätte er es im Blut. Angeboren.
    Er las die Abendzeitungen, die Sergio mitgebracht hatte. Sie schrieben nicht viel über die Flucht. Nur am ersten Tag danach stand ein kurzer Artikel im
Expressen
und eine Notiz im
Aftonbladet.
    Expressen schrieb :
    Am Donnerstagnachmittag ist ein Häftling, der aufgrund von Drogendelikten verurteilt worden war, unter spektakulären Umständen aus dem Gefängnis in Österåker geflohen. Wie einer der Gefängnisaufseher dem Expressen berichtet, handelt es sich um einen allgemein geschätzten Insassen, den das Personal nicht für verdächtig hielt, eine Flucht zu planen. Den Beobachtungen eines Zeugen zufolge gelang es Jorge Salinas Barrio offensichtlich mit Hilfe von außen, die Gefängnismauer zu überwinden. Daraufhin sei er in Richtung Wald gelaufen, wo höchstwahrscheinlich ein Fluchtauto auf ihn wartete. Derselbe Zeuge berichtet, dass der Entflohene bereits Monate vor dem Ausbruch ein, wie er sich ausdrückte, »manisches« Lauftraining absolvierte. Die Gefängnisleitung räumt angesichts des Vorfalls eine gewisse Verantwortlichkeit ein, betont aber darüber hinaus, dass man froh sei, dass die Flucht ohne gewalttätige Übergriffe vonstattengegangen ist.
    Nach einer Welle von Ausbrüchen im Jahr 2004 , bei der unter anderem Tony Olsson, der für die Polizeimorde in Malexander verurteilt worden war, gleich zweimal innerhalb eines Jahres eine Flucht gelang, sind die Sicherheitsvorkehrungen in den Haftanstalten des Landes erheblich verbessert worden. Die Kriminalpolizei hat nach dem gestrigen Ereignis mitgeteilt, dass möglicherweise zusätzliche Untersuchungen bezüglich einer weiteren Anhebung des Sicherheitsniveaus in Gefängnissen dieses Typs eingeleitet werden sollen.
    Jorge lächelte. Sie hatten sein Training also übertrieben gefunden. Er fragte sich, was sie wohl über seine Nachforschungen in der Stadtbibliothek dachten. Kapierten sie überhaupt, was er dort gemacht hatte?
    Am zweiten Tag stand nichts in den Abendzeitungen. Er war enttäuscht. Zugleich froh – je weniger Aufmerksamkeit, desto besser.
    Er vermisste sein Lauftraining. Hatte die Stille satt. Hatte Angst, dass seine Kondition

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