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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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nachlassen und sein trainierter Körper über kurz oder lang einrosten würde.
    Die Zeit kroch so langsam dahin wie ein unfrisiertes Moped. Er versuchte einen Plan zu erstellen. Holte sich einen runter. Linste durch die Jalousien. War nervös. Übte wieder und wieder den neuen Jorge. Horchte nach verdächtigen Geräuschen auf der Straße oder im Treppenhaus. Malte sich sein zukünftiges erfolgreiches Leben im Ausland aus.
    Langeweile: zehnmal stärker als im Gefängnis.
    Er schlief schlecht. Wachte auf. Horchte. Hob die Jalousien an. Linste durch den Spion in der Tür.
    Wanderte in der Wohnung umher. Betrachtete sich selbst im Spiegel. Was würde aus ihm werden?
    Jorges Dilemma: Das Einzige, wovon er Ahnung hatte, war der Handel mit Koks. Aber wie sollte er sich in die Branche einschleusen, ohne sich zu erkennen zu geben? Jorge, der alte Fuchs, hatte einen gewissen Respekt. War kein No-Name. Schwer, ohne Beziehungen einen Vorstoß zu wagen. Nahezu unmöglich ohne Hilfe.
    Er brauchte einen Personalausweis und eine Adresse, um sich hinter einer provisorischen Identität verstecken zu können. Außerdem: Er hatte vor, in Vorortzügen und U-Bahnen schwarzzufahren. Falls man erwischt wurde, konnte man jederzeit die Ausweisnummer und Adresse des Betreffenden angeben, und die Kontrolleure waren zufrieden.
    Ansonsten: Er musste regelmäßig ins Solarium, um sich nicht ständig mit Bräunungscreme einschmieren zu müssen. Benötigte außerdem Linsen mit einem dunkleren Braunton als seine natürliche Augenfarbe. Brauchte mehr zum Anziehen als den abgewetzten WCT -Trainingsanzug, den er sich von Sergio geborgt hatte. Brauchte ein Handy. Musste mit gewissen Personen Kontakt aufnehmen. Das Wichtigste – J-Boy brauchte Bares.
    Er sehnte sich nach Paola. Wollte sie anrufen, wusste aber, dass er es nicht durfte. Das musste warten.
    Nach fünf Tagen wurde er fast verrückt. Dachte bei jedem Auto, das auf der Straße hielt, dass es die Bullen seien. Sergio kam am Abend vorbei, sie besprachen die Situation. Die Cops waren bisher noch nicht bei ihm aufgetaucht. Alles schien so weit ruhig. Jorge war dennoch extrem angespannt. Wollte abhauen.
     
    Sergio holte ihn am nächsten Morgen um sechs Uhr ab. Jorge war völlig fertig. Hatte keine Sekunde geschlafen. War mit einem Lappen auf dem Fußboden herumgekrochen und hatte Haarsträhnen und andere eventuelle Spuren von sich selbst beseitigt.
    Sie fuhren nach Kallhäll. Jorge instruierte Sergio, diverse Umwege zu fahren, um eventuelle Verfolger abzuschütteln.
    Sergio schüttelte den Kopf. »Du bist ja hypernervös.«
    Jorges nächste Bleibe: ein Zimmer bei dem besten Freund von Sergios Bruder, Eddie. Der Vorteil: Wenn die Bullen ihm auf den Fersen waren, würde sich spätestens jetzt die Spur verlieren. Der Nachteil: Der Kreis derjenigen, die wussten, wo er sich befand, erweiterte sich.
    Eigentlich war es optimal, bei Leuten zu wohnen, die er nicht kannte und die ihn nicht wiedererkannten. Eddie allerdings ließ sich nichts vormachen. Er lachte laut los, als er Jorge sah.
El negrito.
Stellte ihn seiner Frau und den beiden Kids vor. Die Frau hingegen kannte Jorges Story nicht. Alles in allem nicht optimal, aber okay.
     
    Jorge lag ganze Tage lang auf dem Bett. Hörte sich Kindergeschrei an. Studierte die Strukturen an der Zimmerdecke. Stellte sich vor, wie es für seine Mutter gewesen sein musste, als sie im schwangeren Zustand mit ihm nach Schweden gekommen war. Aus einer Diktatur. Allein mit den Erinnerungen. Er schämte sich dafür, dass er zu wenig darüber wusste. Zu selten gefragt hatte.
    Das Zimmer klein. Gehörte eigentlich einem der Kinder. Legosteine über den gesamten Fußboden verstreut. Poster mit DJ Mendez und den Darstellern aus
Herr der Ringe.
Vor den Fenstern hingen geblümte Gardinen. Er las Comics. Hätte Lust gehabt, auf Eddies Xbox zu spielen, traute sich aber nicht in die anderen Räume der Wohnung. Sehnte sich nach der Bude der Alten zurück, obwohl er wusste, dass er hier sicherer war. Sehnte sich nach echter Freiheit. Wollte raus.
     
    Ein paar Tage später. Eddie klopfte mitten am Tag um zwei Uhr an seine Zimmertür. Er hätte eigentlich auf der Arbeit sein müssen. Jorge kapierte sofort: Irgendwas war faul. Eddie durchgeschwitzt. Die Schuhe noch an den Füßen. Seine Kinder schrien im Hintergrund.
    »Jorge, du musst abhauen. Sie haben Sergio zum Verhör einbestellt.«
    »Wann denn? Und wie hast du es erfahren?«
    »Sie haben ihn heute Morgen angerufen und gesagt,

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