Spür die Angst
müssen das Geld irgendwo reinpumpen. Weder das Clara’s noch das Diamond verkraften es, derartige Summen, wie sie das Garderobenbusiness einbringt, zu schlucken. Wir benötigen mehr Läden. In gewisser Weise ist das natürlich ein Luxusproblem. Es zeigt uns jedenfalls, dass der Dinar rollt.«
Mrado entgegnete: »Ich glaub, dass sich Videotheken zum Beispiel ganz gut eignen würden. Der Große Bruder wird niemals nachvollziehen können, wie viele Filme tatsächlich ausgeliehen werden. Wir blähen die Einkünfte einfach nach unseren Vorstellungen auf. Ich krieg das schon hin. Hab ich schon mal gemacht. Und wenn es gegen alle Erwartungen Ärger geben sollte, und der Staat misstrauisch wird, muss eben irgendein Kopf rollen, der von einem Strohmann.«
»Ganz richtig. Und wen nimmt man da?«
»Jemanden ohne Konkurs in seinem bisherigen Geschäftsleben. Jemand, der nicht allzu dämlich ist, aber auch nicht allzu viel zu verlieren hat. Ich kümmre mich drum. Aber ein Strohmann kann uns die Geldwäsche auch nicht abnehmen. Schützt uns nur vor einer Pleite, wenn wir zu hohe Steuerschulden haben, oder so. Und du willst ja deinen Namen nicht unbedingt mit suspekten Pleiten beschmutzen und ein Gewerbeverbot riskieren, also passt es doch perfekt.«
»Du hast den Überblick. Fang schon morgen an.«
Stefanovic klopfte. Kam mit Chai-Tee und Cantucci herein. Radovan lehnte sich zurück. Tauchte das Gebäck in den Tee. Wie ein verdammter Schwede. Schmatzte. Sie unterhielten sich über Radovans Tochter. Sie würde demnächst eingeschult werden. Privatschule, Schule in der Innenstadt, Schule im Villenviertel – was war das Beste? Mrado unterbreitete ihm seine eigene private Misere. Dass er Lovisa zu selten sah. Den Zwist mit ihrer Mutter. Rado-Stil: Er fragte, ob er etwas für ihn tun könne. Mrado dachte: bloß nicht. Wenn das Sozialamt Wind davon kriegt, dass du und ich Geschäftsbeziehungen unterhalten, bin ich als Erziehungsberechtigter geliefert.
Auf dem Fußboden lagen zwei echte Teppiche. Radovan hatte den Raum im klassizistischen Stil einrichten lassen. Die Bücher in den Regalen eher für den schönen Schein. In anderen Regalen: Lexika und Atlanten. Gesammelte Werke serbischer Schriftsteller. Mrado kannte nicht einmal die Namen. Nur einer von ihnen war ihm wohlbekannt – der Nobelpreisträger Ivo Andric´.
Mrado musste an seine Lehrerin denken, die ihn dazu gebracht hatte, Ivo Andric´ zu lesen. Ein Jahr später war er der Meister der Schlägereien in Södertälje. Radovan stellte sein Glas mit Chai ab.
»Das Zigarettenbusiness funktioniert ausgezeichnet. Goran macht sein Ding gut. Aber auf lange Sicht können wir nicht darauf setzen. Die ganze Gesellschaft ist ja heutzutage gegen Zigaretten. Das Rauchverbot in Kneipen und Restaurants stürzt uns in den Ruin, die aktuellen Fotos von schwarzverfärbten Lungen sind widerlich, und die verschärften Zollkontrollen an den Grenzen zu Ländern außerhalb der EU machen sowieso alles zunichte.«
»Du hast recht, aber es ist wichtig, dass wir unsere Kontakte zu den Transportleuten aufrechterhalten. Diese Art von Logistik ist nicht so leicht wieder aufzubauen. Bald wird sich das Baltikum vollständig öffnen, spätestens im Zuge diverser EU -Mitgliedschaften. Das Heroin dort ist achtmal billiger als hier. Selbst wenn sich der Preis nach oben entwickeln sollte, müssen wir bereit sein. Dieselben Fahrer, die heute die Kippen transportieren, könnten dann unsren braunen Zucker fahren.«
Sie diskutierten weiter. Gingen alle Branchen und Projekte durch: den Zigaretten- und Spritschmuggel, die Inkassojungs, Drogen, die Jack-Vegas-Imitate, die Wohnungsbordelle, den Huren-Call-Service.
Dann die halblegalen: Clara’s Bar und der Nachtclub The Diamond. Sogenannte Wäschereien.
Zusammengefasst unter den Begriffen Bargeldfluss, Casheinkünfte. Gelder, die besteuert werden mussten, um auf der anderen Seite wieder sauber rauszukommen. Die Clubs reichten dafür nicht aus. Radovan hatte einen Ruf als gesetzestreuer, allgemein respektierter Bürger zu verteidigen.
Schlussfolgerung: Sie benötigten definitiv diese Videotheken. Zwei Stück. Möglicherweise noch weitere.
Während des gesamten Gesprächs wartete Mrado auf eine Gelegenheit, die Frage nach seinem Anteil an den Garderoben stellen zu können.
Schließlich: Er führte sein Teeglas zum Mund und wollte daraus trinken, obwohl es längst leer war. Er hoffte, dass er Radovan endlich genügend weichgeklopft hatte.
»Rado, ich würd
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