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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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unter sie. Glitt mit ihnen hindurch. Dicht hinter einem Typen um die zwanzig. An der Sperre piepte es, als sie registrierte, dass er hinter einer anderen Person hindurchschlüpfte. Der Kontrolleur schaute nicht einmal auf.
    Er fuhr bis Slussen. Guckte auf einer SL -Karte für den Nahverkehr nach dem Weg.
    Er war müde. Sehnte sich nach einem Bett.
    Kam gegen neun Uhr bei der Nachteule, Högbergsgata, an.
    Klingelte am Eingang. Wurde reingelassen.
    Es sah wohnlich aus. Die Rezeption lag direkt am Eingang. Weiter hinten im Raum: eine Ansammlung von Tischen und Stühlen, Spüle und Herd an einer Wand. In einer Ecke stand ein Fernseher. Einige Leute spielten Karten. Aßen. Guckten fern. Unterhielten sich. Keiner scherte sich um ihn. Er sah niemanden, den er kannte. Keinen, der ihn wiedererkannte. Super.
    Die Frau an der Rezeption ähnelte der Bibliothekarin in der Stadtbibliothek. Dieselbe Art, dieselbe langweilige Aufmachung.
    »Hej, kann ich weiterhelfen?«, fragte sie und schaute von ihrem Kreuzworträtsel auf.
    Jorge antwortete: »Ja, gern, ich hab grad ein kleines Problem und brauch ’ne Übernachtungsmöglichkeit. Hab gehört, dass es hier gut sein soll.«
    Setzte sein zuckersüßes Lächeln auf und sprach mit bemitleidenswerter Stimme. Er brauchte sich nicht einmal zu verstellen. Er war tatsächlich am Ende. Die Frau schien zu kapieren. Sozialarbeiter/Fürsorger/Psychologen hatten immer Verständnis. Jorge kannte sich da aus.
    »Wir haben noch Betten frei, es müsste also gehen. Sind Sie schon lange obdachlos?«
    Rede mit ihr. Sei nett. Erzähl ihr was Glaubwürdiges. »Nicht so lange, ungefähr zwei Wochen. Ist ganz schön übel. Meine Freundin hat mich rausgeschmissen.«
    »Das klingt unangenehm. Aber hier können Sie auf jeden Fall ein paar Nächte bleiben. Vielleicht renkt sich das mit Ihrer Freundin ja wieder ein. Das Einzige, was ich benötige, wenn Sie hierbleiben wollen, ist Ihr Name und Ihre Ausweisnummer.«
    Scheiße.
    »Brauchen Sie diese Angaben wirklich? Wozu denn?« Er dachte: Ich hab ja ’ne Ausweisnummer. Aber kann ich die hier angeben?
    »Ich weiß, dass viele Menschen ihre persönlichen Daten nicht gerne herausgeben, aber auch diese Einrichtung kostet Geld. Wir schicken die Rechnung direkt an Ihren Sozialarbeiter, wenn Sie einen haben, zweihundert Kronen die Nacht, und dafür benötige ich leider Ihre persönlichen Angaben.«
    Pisse. Er konnte ihr nicht irgendwelche gefakten Angaben stecken. Das würde nie und nimmer funktionieren.
    »Das geht nicht. Ich zahl auch gerne bar.«
    »Tut mir leid, wir nehmen keine Bargeldzahlungen mehr. Das haben wir vor zwei Jahren eingestellt. Aber vielleicht sollten Sie Kontakt mit Ihrem Sozialamt aufnehmen?«
    Fick dich selber.
    Jorge gab auf. Bedankte sich. Ging wieder raus auf die Straße.
    Bereute, dass er es überhaupt versucht hatte. Hoffte nur, dass er keinen Verdacht erregt hatte.
    Fragte sich, ob ihn jemand erkannt hatte. Betrachtete sich in einem Schaufenster. Schwarze Haare. Locken. Der Bart wurde langsam länger. Die Haut dunkler als sonst. Das musste reichen.
    Ein Thermometer zeigte vierzehn Grad plus an.
    Wo sollte er nur schlafen?
    Er dachte an seinen anderen Plan – seine Cash-Idee. Sollte er es wagen?
    Radovan herausfordern?

11
    JW zählte die Scheine noch einmal. Zweiundzwanzigtausend Kronen insgesamt, und das, obwohl er schon vier Wochenenden nacheinander wie Paris Hilton gefeiert und sich noch dazu ein Jackett von Canali geleistet hatte.
    Er wog die mit einem Gummiband zusammengehaltenen vierundvierzig Fünfhunderter in der Hand. Normalerweise lagen sie in einem Paar Socken im Kleiderschrank versteckt. Mit dem Colaverkauf erzielte er einen guten Profit. Er hatte das Geld innerhalb nur eines Monats eingenommen. Hatte seine Schulden an Abdulkarim zurückbezahlt und außerdem die Prüfung in Finanzwesen bestanden.
    Abdulkarim lobte ihn und bot ihm an, das Geschäft mit Cola zu seiner Haupteinnahmequelle zu machen. Die Schmeichelei tat ihm gut. Die Schmeichelei gab ihm Selbstvertrauen und weckte Zukunftsträume. Aber JW lehnte ab – er wollte alles gleichzeitig hinkriegen: die Partys, den Verkauf, die Universität.
    Die Boys hatten akzeptiert, dass er sich von nun an um die Ware kümmerte. Sie waren nicht zuletzt selbstgefällige Kerle. Es gefiel ihnen, den Stoff geliefert zu bekommen, ohne sich selber die Finger schmutzig machen zu müssen. Der Einzige, der reagierte, war Nippe, der ihn im Spaß aufzog. »Bist du etwa blank, oder was? Scheint

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