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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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neuen Möglichkeiten.
    Im Radio lief ein Klassiker von Petter Askergren. JW war kein großer Fan von Hip-Hop, und dennoch mochte er den Text irgendwie: »Der Wind hat gedreht.«
    Es ging um ihn.
Big time.
Jetzt war er an der Reihe. Schluss mit dem Doppelleben, er würde so werden wie sie, in jeder Hinsicht. Allerdings noch etwas wohlhabender. Würde sie irgendwann allesamt zum Frühstück verspeisen.
    Sie unterhielten sich. Die meiste Zeit hörte JW zu. Nippe stand auf Lollo. Nippe fand, dass Jetset-Carl am vergangenen Wochenende ziemlich überheblich gewesen war – glaubte er etwa, dass er der King war? Nippe beglückwünschte JW zu seinem Canali-Jackett. Nippe erörterte die letzte Dokusoap. Nippe quatschte zu viel.
    »Ich glaub, ich werd mich in Zukunft nicht länger mit Finanzen beschäftigen. Setze wahrscheinlich eher auf Marketing.«
    JW war mäßig interessiert. »Aha.«
    »Marketing ist der Hit, vor allem das Branding. Du kannst ein x-beliebiges, absolut billig hergestelltes Projekt letztlich zu einem völlig überhöhten Preis verkaufen. Hauptsache, es ist auf dem Markt etabliert und wird dementsprechend gepusht. In dieser Sache liegt doch ein Wahnsinnspotential.«
    »Ja, schon, aber letztendlich zählt der gesamte Betrieb und die Menge an eingesetztem Kapital, die Finanzierung. Wenn dein Marketing zu viel kostet und du niemals richtig hohe Gewinne einstreichst, gehst du unter.«
    »Klar, aber man verdient gutes Geld. Schau dir Gucci und Louis Vuitton an. Die Kleidung, die Boutiquen in Stockholm, die Modekollektionen; alles das ist doch nur ein Vorwand. Und das, was die eigentlichen Summen reinbringt, sind die Accessoires. Sonnenbrillen, Parfüms, Gürtel, Handtaschen. Billig in China hergestelltes Zeug, banales Zubehör. Alles branded.«
    Nach JW s Auffassung war Nippe nicht gerade der smarteste Typ, und heute hatte er sich ganz besonders auf einen Begriff eingeschossen.
    Die Unterhaltung plätscherte dahin.
    JW genoss das Leben. Im nächsten Monat hatte er vor, seine Verkaufsmenge zu verdreifachen. Er rechnete im Kopf, multiplizierte, plante, strukturierte. Sah vor seinem inneren Auge Verkaufskurven, Zuwächse, Cash. Er betrachtete sich selbst als die Hausse.
     
    Nach einer Stunde waren sie da. Nippe hatte ihm erzählt, dass Gustafs Eltern auf einem alten Gutshof wohnten. Die Eltern – gute Freunde von Seiner Majestät, dem König.
    Gustaf hieß sie willkommen. JW kam an diesem Tag zu derselben Einschätzung wie bei vorangegangenen Begegnungen – Gustaf war der Snob schlechthin. Er trug ein Tweedjackett, weiße Chinohosen, eine rote Krawatte auf kariertem Hemd mit Doppelmanschetten und dazu Loafers von Marc Jacobs. Seine Haare waren streng nach hinten gekämmt und gegelt – die geilste Frisur aller Gelfrisuren.
    Das Hauptgebäude maß allein schon mindestens zweitausend Quadratmeter. Zwei stattliche Kronleuchter hingen zwischen den Säulen in der Diele von der Decke, und an den Wänden prunkten Gemälde, die eine Schneelandschaft darstellten. Eine geschwungene Treppe führte ins Obergeschoss. Gustaf stellte ihnen Gunn vor, die Mutter des Hauses, wie er sich ausdrückte.
    »Sie ist es, die nach mir sieht, wenn Mama und Papa unterwegs sind.«
    JW s Kommentar: »Das wird heute Abend wohl auch nötig werden.«
    Gunn lachte. JW prustete los. Nippe kicherte. Gustaf brach in schallendes Gelächter aus.
    Die Stimmung vorzüglich. Gustaf schien ihn zu mögen.
    Gunn kümmerte sich um Nippe und JW und führte sie in eines der Gästezimmer in einem Seitenflügel, wo sie untergebracht wurden.
    JW fingerte an dem Manilakuvert in seiner Jacketttasche. Vierzehn Gramm, sicherheitshalber.
     
    Das Essen begann um neunzehn Uhr dreißig. Sophie und JW spielten vorher noch ein Tennis-Doppel gegen Nippe und Anna: Sieben-fünf. Sechs-vier. Vier-sechs. Sieben-fünf. Die Stimmung der Sieger war blendend. Nippe hingegen war ein schlechter Verlierer und knallte seinen Schläger auf den Boden. Anna nahm es gelassener. JW , der in seiner Jugend niemals Tennis gespielt hatte und sich nur aufgrund seines guten Ballgefühls so wacker schlug, brachte es sogar fertig, den Eindruck zu erwecken, als hätte er sein Leben lang Tennis gespielt.
    Sie duschten. JW legte sich im gemeinsamen Zimmer für eine halbe Stunde schlafen. Nippe ging scheißen.
    Sie zogen ihre Smokings an. JW hatte einen Secondhand von Cerruti dabei, von dem er behauptete, er hätte zwölf Riesen gekostet. Der eigentliche Preis belief sich auf Zweitausendfünfhundert.

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