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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Geben sich unbeteiligt. Sprechen langsam. Aber auch das merkt man ihnen an. Sie treten zu selbstsicher auf. Drücken sich zu vage aus. Sitzen ungewohnt still, ohne jegliche Gestik. Wirken in ihren Aussagen zu sicher.
    Er kannte sie alle. Paola gehörte zu keiner der beiden Kategorien. Mrado war jetzt lange genug in der Schutzgelderpressungsbranche. Hatte alle möglichen Leute genötigt, Knete rauszurücken. Sie gezwungen zu verraten, an welchem Ort die Tageskasse versteckt war, wie viel Koks sie verkauft hatten, an wen sie den Billigfusel lieferten, wie viele Freier sie gehabt hatten. Hatte seinen Revolver gegen die Stirn unzähliger Personen gedrückt, in ihre Münder, an ihre Eier. Antworten von ihnen verlangt. Antworten aus ihnen herausgepresst. Ihre Antworten gecheckt. Kurzum, er war ein Experte in Sachen Antworten.
    Mrado betrachtete ihre Hände. Nicht das Gesicht. Er wusste: Die Leute haben ihr Gesicht unter Kontrolle, aber ihren Körper nicht. Die Hände sagen die Wahrheit. Paola log nicht.
    Sie wusste wirklich nicht, wo Jorge, dieser Satan, war.
    Verdammt.
    Er ließ sie auf der Toilette sitzend zurück. Paralysiert.
    Lief hinunter zum Parkplatz. Sprang in seinen Wagen. Zog die Tür mit einem lauten Knall zu. Fuhr los, um Mahmuds Schwester zu treffen.
     
    Mrado fühlte sich gestresst. Er entdeckte sie sofort, sie hatte eine Pepsi-Cola vor sich stehen. Der Araberschuppen war proppenvoll. Zwei verschleierte Frauen mit mindestens hundertvierzig Gören okkupierten den hinteren Teil. Im vorderen saßen ein paar Schweden und erfreuten sich an der multikulturellen Atmosphäre ihrer Stadt. Mahmuds Schwester streckte die Hand aus. Bedeutung: Ich will meine zweitausend Cash. Die Braut beim letzten Mal gefügig. Heute: extrem arrogante Art.
    Mrado seufzte. Ihm kam ein Gedanke, der ihn selbst erstaunte: Allzu viele Leute, die sich als absolute Nullen entpuppten, zogen nach außen eine knallharte Nummer durch. Das war ihm schon oft aufgefallen. Arbeitlose Durchschnittsschweden, Türsteher mit schlechter Schulbildung und vorlaute Schlägertypen aus Rinkeby, die den großen Macker raushängen ließen. War das ihr Schutzschild? Bewirkte ihr Gehabe, dass sie sich nicht länger wie der letzte Dreck fühlten? Diese Braut hier war ganz offensichtlich ein Losertyp. Warum versuchte sie es überhaupt erst?
    Er setzte sich.
    »Mit dem Geld warten wir noch, meine Liebe. Du wirst es gleich bekommen. Erzähl mir zuerst, was er gesagt hat.«
    Noch bevor sie ansetzte, wusste er schon die Antwort.
    »Er wusste nichts.«
    »Wie meinst du das? Er kannte Jorge doch aber, oder?«
    »Nein, also, sie waren nie zusammen.«
    Mrado irritiert. Das Weib konnte sich noch nicht mal klar ausdrücken. Irgendjemand müsste ihr mal richtiges Schwedisch beibringen.
    »Streng dich an. Natürlich wusste er, wer Jorge war. Denk nach. Was hat er gesagt?«
    »Was meinst du? Glaubst du etwa, ich hab vergessen, oder was? Komm doch grad von da. Hab doch gesagt, sie waren nie zusammen.«
    »Also, willst du jetzt die Kröten oder nicht? Wusste er, wer der Latino war, oder nicht?«
    »Er wusste. Er sagte, die fetteste Flüchtling, von der je gehört.«
    »Du meinst, Flucht. Hat er die Flucht gesehen?«
    »Shit, was du Zeug quatscht. Mein Kerl nicht da. Er nicht auf der Motivation.«
    »Liebes Mädchen, wenn du die Knete haben willst, dann musst du, verdammt noch mal, so reden, dass man dich versteht.«
    Mrado war kurz davor, die Geduld zu verlieren. Schob seinen Stuhl zurück. Signalisierte ihr: Reiß dich am Riemen, oder ich mach die Fliege.
    »Er sitzt in anderer Abteilung, sozusagen. Nicht Motivation. Er ist woanders. Kapiert?«
    Mrado kapierte. War missmutig. Mahmuds Schwester war eine Niete. In Österåker gab es zwei Abteilungen. Eine für Insassen, die ihr Leben in den Griff bekommen wollten und dahingehend motiviert wurden, ihren Drogenmissbrauch aufzugeben. Die Regeln der Gesellschaft zu akzeptieren. Pädagogisches Programm, Workshops, Bullshitpsychologie und Quatschtherapie. Jorge hatte natürlich dort eingesessen, in der sogenannten Motivationsabteilung. Und dann stimmte es, was sie sagte: Ihr lahmarschiger, beschissener Kerl wusste
zilch,
rein gar nichts.

19
    Er machte sich auf den Weg zu einer anderen Hütte. Wohnte dort zwei Tage lang. Und jetzt war er wieder auf der Suche nach einer neuen Unterkunft. Musste in Bewegung bleiben.
    Er wanderte über drei Stunden lang. Wollte weg aus dem Gebiet, in dem er sich niedergelassen hatte – der

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