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Spur der Flammen. Roman

Spur der Flammen. Roman

Titel: Spur der Flammen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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geäußert.
    Wenn er doch diesem bezaubernden Geschöpf vertrauen, sich die Seele erleichtern und seine Geheimnisse ihrer fürsorglichen Obhut übergeben könnte! Er hatte nicht den Mut dazu. Das Offizium der Inquisition hatte es auf ihn abgesehen und folgte ihm auf Schritt und Tritt. Etwas jedoch konnte er mit Hélène teilen, eine Begeisterung, die von Herzen kam, und als er jetzt mit ernster Miene damit herausrückte, in diesem in Mondlicht getauchten und vom Duft der Frühlingsblüten erfüllten Garten, sah Hélène, wie seine Augen glühten, hörte sie, wie eindringlich er sprach, spürte sie Michels Energie ausstrahlen wie von einem Glutofen.
    »Wir leben in einem neuen Zeitalter, Mademoiselle. Die Florentiner nennen es
rinascita,
Wiedergeburt, denn die Welt erwacht zu einem neuen Bewusstsein. Ein Wissensdurst greift um sich, ein bisher nicht gekanntes Streben nach neuen Erkenntnissen. Nicht von ungefähr stellen Männer wie Luther die Praktiken der Kirche in Frage. Damit Ihr mich recht versteht: Ich bin kein Protestler, aber hat uns nicht Gott einen Verstand und einen freien Willen gegeben? Etwas in Frage zu stellen und darüber zu diskutieren, kann nur von Vorteil sein. Neue Welten sind entdeckt worden, in denen wir vormals Drachen vermuteten, ganze Kontinente und unbekannte Menschenrassen.« Als er merkte, wie sie ihn anstarrte, brach er unvermittelt ab. Er wollte ihr noch mehr sagen, dass er das Gefühl hatte, ihm sei ein außergewöhnliches Schicksal bestimmt, dass er auf der Suche danach durch die Länder ziehe, aber befürchte, sein Leben zu verlieren, ehe er die Aufgabe erfüllt habe, die auszuführen er auf die Welt gekommen sei. Aber ihr verdutztes Gesicht, die weit aufgerissenen blauen Augen – er war zu weit gegangen.
    Er täuschte sich. Was die junge Hélène erstarren ließ, war eine nicht gekannte Erregung, die von ihr Besitz ergriff. Sie war noch nie einem derart energischen und zielbewussten Mann begegnet. Entsprechend beeindruckt war sie. Und gleichzeitig sprachlos. Deshalb griff sie zu ihrer Laute, setzte sich auf die Marmorbank und fing erst zu spielen, dann als Begleitung auch zu singen an, mit einer so zarten hohen Stimme, die Michel wie gesponnenes Silber erschien. Das Lied traf ihn wie ein Pfeil mitten ins Herz, durchbohrte ihn in süßem Schmerz. Wenn er doch nur die Freiheit besäße, sich in dieses holde Wesen zu verlieben! Aber seine ureigenen Dämonen würden so etwas nie und nimmer zulassen. Michel mochte diese Stadt und seine Bewohner und hätte sich gern hier niedergelassen. Er wusste jedoch, dass er bald weiterziehen musste, noch ehe sein Geheimnis offenbar wurde.
     
     
    Zu später Stunde, bei fast niedergebrannter Kerze, saß Michel mit seinen Tabellen und Instrumenten und Kalkulationen an seinem Schreibpult und forschte nach Antwort.
    Die Schatten hatten ihn erneut heimgesucht.
    So war es von Kindesbeinen an gewesen. Sein Fluch. Niemals wusste er, wann die Schatten kamen, er konnte mit irgendetwas beschäftigt sein, allein oder in Gesellschaft – sie spürten ihn unweigerlich auf, und dann vermochte er weder zu essen noch zu trinken oder zu schlafen, bevor er nicht ihre rätselhafte Botschaft entziffert hatte. Längst wusste er, dass die Entschlüsselung in den Sternen zu suchen war, wo ja die Antwort auf alles Leben lag, und deshalb mühte er sich jetzt mit Federkiel und Gleichungen, seinem Astrolabium, dem Winkelmesser und dem Kompass ab, auf der Suche nach Antwort auf der ständig wechselnden Himmelskarte.
    Und da war sie: Mars, der Unheil verkündende Planet, stand im Wassermann.
    Michel stieß einen Schrei aus.
    Das schreckliche Ereignis, vor dem die Schatten warnten, sollte morgen stattfinden. Und es schloss Hélène mit ein.
    Er sprang auf und ging Hände ringend in der kleinen Kammer unter dem schrägen Dach auf und ab. Was sollte er tun, was denn nur? Wenn er Hélène einweihte, würde nachher jeder sagen: »Wie konnte er das wissen?« Er könnte sagen, dass er die Weissagung in den Sternen gelesen hätte, aber dann würden die Leute sagen: »Woher wusste er sie zu deuten?« Das mit den Schatten würden sie nicht begreifen.
    Er rang mit dem Dilemma, bis er völlig verzweifelt war und es nur noch einen Ausweg gab. Hastig packte er seine Sachen zusammen, schlich sich aus dem Haus, holte im Schutze der Nacht sein Pferd und den Packesel aus dem Stall und verließ unbemerkt das schlafende Agen.
    Nicht zum ersten Mal machte er sich derart Hals über Kopf aus dem

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