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Spur der Flammen. Roman

Spur der Flammen. Roman

Titel: Spur der Flammen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Staub. Und er wusste auch, dass es nicht zum letzten Mal sein würde. Denn die Schatten trieben ihn an wie Kobolde, die ihn in die Fersen zwickten und Dr.Michel zu einem Leben rastloser Suche und Einsamkeit zwangen, zu einem Mann ohne Freunde, ohne Familie, ohne Liebe.
    Jenseits der Stadttore hielt er nochmals an und warf einen Blick zurück. Hélène. Er konnte unmöglich weggehen, ohne sie zu warnen. Wenn dies seinen eigenen Tod bedeuten würde, dann sollte es eben sein.
     
     
    Sie dachte, es sei eine Maus, die da leise scharrte. Als sie dann aber vollends erwachte, erkannte Hélène, dass das Geräusch von einem Klopfen an ihrer Tür verursacht wurde.
    Sie öffnete und sah zu ihrer Verblüffung Dr.Michel in dem schmalen Flur stehen, vollständig angezogen, reisefertig.
    »Geht morgen früh nicht zum Marktplatz, Mademoiselle«, raunte er.
    »Warum nicht?«
    »Bitte fragt nicht, ich kann es euch nicht sagen. Versprecht mir nur, dass Ihr bis zum Mittag zu Hause bleibt.«
    »Aber Monsieur, ich gehe immer auf den Markt, jeden Morgen. Papa wird fragen …«
    »Lasst Euch eine Ausrede einfallen. Ich bitte Euch.«
    Sternenlicht, das durch das offene Fenster der Schlafkammer drang, fiel auf Michels Gesicht: Es war bleich und feucht, und seine Augen glänzten derart, dass Hélène erschrak. Aber auch etwas Flehendes lag in seinem Blick, sodass sich ihr Herz zu diesem Fremdling hingezogen fühlte, der ihr die Wiedergeburt in der Welt bewusst gemacht hatte.
    »Ich werde darüber nachdenken«, sagte sie.
    Michel zog sich in seine Kammer zurück, wo er den Rest der Nacht im Gebet zubrachte und Gott anflehte, er möge Hélène dazu bringen, seine Warnung ernst zu nehmen.
     
     
    Unter dem Vorwand, unter Kopfschmerzen zu leiden, schickte Hélène Dienstboten aus, heute an ihrer Stelle Brot und Fleisch einzukaufen. Sie selbst beschäftigte sich mit kleineren Verrichtungen, über denen sie nochmals über Michels Auftauchen vor ihrer Kammer nachdachte, sich sogar fragte, ob sie sich das alles nicht nur eingebildet hatte, als sie plötzlich von der Straße her Geschrei vernahm. Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Man rief nach Dr.Michel. Ein Pferdegespann sei auf dem Marktplatz durchgegangen, informierte man sie. Es habe Tote gegeben, andere hätten sich Arme oder Beine gebrochen, Blut rinne durch die Gassen. Dr.Michel werde dringend benötigt.
    Er war bereits zur Stelle. Er hatte frühmorgens das Haus verlassen, mit seiner Arzttasche.
Er hatte es gewusst.
     
     
    »Ich nenne sie die Schatten«, sagte er erschöpft, als er sich, nachdem er den ganzen Tag über gebrochene Knochen geschient und Wunden versorgt hatte, endlich eine Pause gönnte. Insgesamt sieben Tote hatte es gegeben. Aber Hélène war verschont geblieben.
    Sie saß mit ihm im Garten, blass und angespannt, noch immer von dem Gedanken verfolgt, »was gewesen wäre, wenn«.
    »Sie überfallen mich, wenn ich am wenigsten darauf gefasst bin, und vermitteln mir das Gefühl einer Vorahnung. Ich weiß nicht, woher sie kommen oder wie ich mich ihnen entziehen kann, sie spüren mich unweigerlich auf. Es ist etwas, das mir angeboren ist, und ich kann es nicht anders deuten als das Vorhandensein eines doppelten Biquintilscheins in meinem Geburtshoroskop.«
    Sie fand ihre Stimme wieder. »Ein was?«
    »Eine Konjunktion von Sonne und Jupiter mit Schütze im fünften Haus steht im Gefünftschein zu einer im siebenten Haus von Saturn im Wassermann, mit einem im zwölften Haus stehenden Mond im Krebs am entgegengesetzten Mittelpunkt. Das wäre eine Erklärung.«
    »Oh.«
    »Und, Hélène, ich bin Jude. Ich muss mich vor der Inquisition verstecken.« Es war, wie Michel spürte, an der Zeit, sich zu bekennen. Wenn Hélène jetzt aufstand und wegging, könnte er ihr das nicht verdenken.
    Sie blieb jedoch neben ihm sitzen.
    »Als ich neun war, zwang man meine Familie, vom jüdischen zum katholischen Glauben überzutreten. Als ehemalige Juden wurden wir von der Kirche streng überwacht, vor allem als ich nach Montpellier ging, um dort Medizin zu studieren. Nachdem ich die Lizenz zum Praktizieren erworben hatte, zog ich aufs Land, um Pestkranken beizustehen. Es gelang mir, so viele Leben zu retten, dass ich nach meiner Rückkehr nach Montpellier, wo ich den Doktortitel erwerben wollte, aufgefordert wurde, meine ungewöhnlichen Behandlungsweisen zu erläutern. Da man mir nichts Ungebührliches nachweisen konnte und auch mein Wissen und meine Fähigkeiten außer Frage standen, durfte

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