Spur der Flammen. Roman
hatte, gefragt: »Woher weißt du, dass dies ein Stück des wahren Kreuzes Christi ist?«
»Ein Fremder kam in mein Dorf und erweckte damit einen Toten wieder zum Leben. Ich wurde Augenzeuge dieses Wunders.«
Einfältiger Narr, hatte Valliers gedacht. Der Fremde wie auch der vermeintliche Tote waren bestimmt Freunde gewesen; der eine war vorausgeeilt und hatte im Dorf den Sterbenden gespielt, dann war der zweite mit seinen Hölzchen gekommen, um den Dummköpfen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Margot jedoch war tief gläubig. Was machte es also aus, ob der Holzsplitter vom Kreuze Christi stammte oder irgendwoher aus dem Wald? Ausschlaggebend war doch die Freude, die sie ihm gegenüber für dieses Geschenk äußern würde.
Alarich ritt durch den Frühjahrsregen, ein Mann, der nicht länger im Frühling seiner Jugend, sondern mit seinen fünfunddreißig Jahren an der Schwelle zum Herbst seines Lebens stand, also nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt war. Das Schicksal hatte es gut mit ihm gemeint: Er war auf dem von Sonne durchdrungenen Boden Südfrankreichs groß geworden, inmitten von ausgedehnten Weinbergen und Eichenwäldern. Ein gut aussehender, robuster Mann mit langem blonden Haar, gestutztem blonden Bart und grünen Augen, ein Mann, der vor Kraft strotzte, leidenschaftlich und verliebt war. Der Regen machte ihm nichts aus. Wie sein durchweichter Mantel hüllten ihn die Gedanken an zurückliegende siegreiche Schlachten ein, und die Erinnerungen an die Bauernmädchen, mit denen er geschlafen hatte, wärmten ihn. Ehebruch war für Alarich keine Sünde, denn Liebe empfand er für die Frauen, die er auf die Schnelle besprang, nicht. Auch ihre Namen erfuhr er niemals. Immerhin verließ er sie stets befriedigt, und das war es doch, wozu ein Mann bestimmt war.
Jetzt aber fand er, dass er für eine Weile genug gekämpft und herumgehurt hatte und mit Margot zusammen sein wollte, seiner Herzensdame, dem Mittelpunkt seines Universums. Er wollte zu Hause bleiben, ihr gegenüber seine Pflicht erfüllen und sie schwängern. Gesegnete, duldsame Margot, die die Abwesenheit ihres Ritters wie eine Frau von wahrhaft hohem Rang ertrug. Gab es einen glücklicheren Mann? Margot war seine zweite Gemahlin. Seiner ersten Frau war er als Kind anverlobt worden, mit fünfzehn hatte er sie geheiratet, mit zwanzig war sie im Kindbett gestorben. Er hatte sich bereit erklärt, Margot zu ehelichen, deren Vater in einer Schlacht gegen den Herzog von Burgund gefallen war und seine Tochter als Mündel der Krone zurückgelassen hatte, weil sich ihm dadurch die Möglichkeit bot, ihre Ländereien den seinen zuzuschlagen. Er hatte sie einst von seinem Vater geerbt, als dieser auf einer Pilgerreise nach Santiago de Compostela gestorben war. Ein wundersames Schicksal hatte es dann gefügt, dass er sich in Margot verliebt hatte. Sie hatte ihm vier Kinder geboren, von denen jedoch nur eins das Kleinkindalter überlebt hatte. Jetzt brannte Alarich darauf, die lustvolle Aufgabe zu übernehmen, sie zum fünften Mal zu schwängern.
Was Alarich nicht ahnte, war, dass in einiger Entfernung und in höchster Eile ein anderer Mann auf ihn zu galoppierte, dem allerdings der Sinn nicht danach stand, holde Damen zu beschlafen oder mit Kriegsbeute zu prahlen. Seine Mission war eine heilige.
Bruder Christofle war Tag und Nacht geritten, seit er von Paris aufgebrochen war, und jetzt, da es regnete und die Pfade aufgeweicht waren, fanden die Hufe seines Pferdes auf dieser letzten Meile kaum noch Halt. Er hatte eine wichtige Botschaft zu überbringen: den Aufruf, Gottes Werk in Jerusalem zu verrichten.
Er gelangte zur gleichen Zeit wie der Comte zum Landgut. Beide galoppierten in den vom Regen durchnässten Hof, wo Stalljungen herbeieilten, um sich um die Pferde zu kümmern. »Mein Gebieter«, hob der Mönch an, als er aus dem Sattel glitt.
»Wein!«, bellte Alarich jovial. »Und Fleisch!« Diener deuteten eine knappe Verbeugung an und rannten ins Haus zurück. »Allmächtiger!«, entfuhr es Alarich, als er sich seines Helms entledigte. »Wer zum Teufel seid Ihr denn?«
»Bruder Christofle. Vom Orden der Alexandrier.«
Alarich grunzte.
»Ich komme in einer dringenden Angelegenheit, Herr«, sagte der Mönch, dem der Regen übers Gesicht lief, derart feierlich, dass Alarich am liebsten aufgelacht hätte. Er schlug dem Mönch kräftig auf die Schulter und dröhnte: »Kommt, guter Bruder, und wärmt euch den Hintern an meinem Herd!«
Sie betraten
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