Spur der Flammen. Roman
an zu schluchzen, und Sammy, der endlich die Gefahr spürte, begann aufgeregt zu kreischen.
»›Und Gott sprach: Nichts geschieht ohne Sinn. Nichts geschieht ohne mein Zutun.‹
»›Und Gott sprach: Du bist nicht allein. Ich bin bei dir.‹«
Sammys gellendes Kreischen war nun voller Panik. Britta wurde in jene alptraumhaften Tage und Nächte im Dschungelkrankenhaus zurückversetzt, als die Gefangenen glaubten, jeder Tag sei der Letzte, als ihr Mann unter der Folter von Gott sprach und Worte des Trostes für seine Mitgefangenen fand. »Bitte …«, stammelte sie, während ihr die Tränen über das Gesicht strömten.
Philo fuhr ehrfurchtsvoll fort: »›Und Gott sprach: Ich bin das Licht der Welt.‹«
Sammys Kreischen und der beißende Gestank von brennendem Papier erfüllte die Wohnung. Nackte Furcht stand in den Augen des Vogels, als er die Nähe des Feuers spürte. Verzweifelt schlug er gegen Philos Hände.
»Sie tun ihm weh!«, rief Britta.
»Wo sind die Papiere?«
»Tun Sie meinem armen Sammy nichts. Ich flehe Sie an!«
»Wo sind die Papiere?«
Sie rang nach Luft.
»Wie man sagt, hat Jacob seine Schergen gesegnet, ehe ihn endlich der gnädige Tod ereilte.« Philo trat vor den Kamin, den Vogel immer noch in den Händen, der angesichts des Infernos verzweifelt um sich schlug. »Es heißt, er hat sie gesegnet, weil sie ihn zu Gott geführt haben. Wo sind die Papiere?«
Britta trug sie immer bei sich, unter ihrer Bluse, an ihrem Herzen. So hatte sie die Papiere auf ihrer Flucht herausgeschmuggelt, so hatte sie sie bei der Überführung des Leichnams ihres Mannes und bei seinem Begräbnis getragen, und so trug sie sie jetzt, um ihren Jacob ständig bei sich zu haben.
Sie zog die Papiere hervor – ein gelber Seidenbeutel an einer schwarzen Kordel, noch warm von ihrer Haut. Einer der Männer griff danach, öffnete den Beutel und zeigte Philo den Inhalt – Papierfetzen, verschmiert und voller Flecken, die Handschrift verkrampft und fahrig. Jacob Buschhorns Vermächtnis.
Philo trat an den Vogelkäfig und legte den Vogel hinein. Er rührte sich nicht.
Sammy war tot.
Britta weinte hemmungslos wie ein Kind, von heiserem Schluchzen geschüttelt. Philo wandte sich zum Gehen. Sein Blick ruhte voller Mitgefühl auf der Frau im Rollstuhl.
»Panikattacken, wie ich schon sagte.«
Als sie in der Dämmerung auf die Straße traten, sagte der Mann mit dem Erdbeermal auf der Wange: »Gratuliere, Philo.«
Philo hatte nie daran gezweifelt, dass er Erfolg haben würde. Als Ritter der Flamme rann das Blut der heiligen Kämpfer in seinen Adern …
Kapitel 12
Südfrankreich, im Jahre 1096
A larich Comte de Valliers galoppierte seinen Soldaten eine Meile voraus und trieb sein Streitross zu immer noch größerer Eile an.
Belohnungen harrten seiner. Margot mit ihren milchweißen Armen und Lippen so süß wie Wein. Nie war sein Verlangen nach ihr größer als im Kampfesgetümmel. Und dieses letzte war eine große Schlacht gewesen, der Feind war unterworfen, er hatte Ruhm erworben. Jetzt war es Zeit fürs Bett – aber nicht, um zu schlafen.
Es war ein guter Feldzug gewesen, mit lediglich zwölf Mann Verlust (im Gegensatz zu den zweiunddreißig des Barons) und ansehnlicher Beute – Fässer mit Wein, Stoffe aus dem Osten, ein paar fette Schafe sowie des Barons eigenes feuriges Kriegsross. Alarichs Männer freuten sich darauf, wieder auf die Bauernhöfe zu kommen, von wo man sie geholt hatte, um für ihren Lehnsherrn zu kämpfen. Sie wollten zurück zu Frau und Kindern, die ihren Ehemann und Vater seit Monaten nicht gesehen hatten, wollten ihr normales Leben wieder aufnehmen, bis sie ihr Herr erneut zu den Waffen rief.
Worauf sich Alarich freute, war neben der Vereinigung mit seiner Liebsten ein Abend mit seinem Bruder Baudouin, der wegen einer Beinverletzung, die er sich in einer früheren Schlacht zugezogen hatte, an diesem Feldzug nicht hatte teilnehmen können und sicherlich darauf brannte, alle Einzelheiten zu vernehmen. Er gab seinem Pferd, einem andalusischen Hengst namens Tonnerre – »Donner« – die Sporen. Schneller! Schneller! Alarich hielt eine Überraschung für Margot bereit. Einen Span des Kreuzes, an dem Christus gestorben war! Er selbst glaubte nicht recht daran. Wenn man, so argwöhnte er, sämtliche Späne des wahren Kreuzes aneinander legte, würden sie eine Strecke ergeben, die sich durch das Land der Franken und wieder zurück zog. Er hatte den Mann, von dem er die Reliquie erworben
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