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Spur der Flammen. Roman

Spur der Flammen. Roman

Titel: Spur der Flammen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ihre Geschicklichkeit im Ringkampf und beim Speerwurf, bei Kunststücken und im Gefecht mit Stöcken verfeinert hatten.
    »Warum sollte ich mich um Bücher sorgen?«
    Nur mit Mühe unterdrückte Bruder Christofle seine Verbitterung und Enttäuschung. Der Alexandrier, den er zuvor in Rouen aufgesucht hatte, hatte ihn »Wabbelbauch« genannt und mit einem Stock fortgejagt. Aber diesem Ignoranten und Großmaul hier nahm Christofle die Bemerkung nicht übel. Im Stillen mit seinem elenden Schicksal hadernd, beneidete er Alarich um dessen Kraft und Gesundheit. Selbst all seine Zähne schien er noch zu besitzen, er zeigte sie ja auch jedes Mal, wenn er den Kopf zurückwarf und lachte. Christofle dagegen überprüfte wie die meisten, die das Alter von fünfzig Jahren erreicht hatten, täglich seine immer wackeliger werdenden Kauwerkzeuge und sah mit Schrecken der Zeit entgegen, da er nicht länger imstande sein würde, Brot und Fleisch zu kauen, und sich stattdessen mit Haferschleim begnügen müsste. Wozu war das Leben dann noch nütze? Warum überhaupt weiterleben?
Der Auftrag,
beschwor er sich. So lange noch ein Alexandrier atmete, bestand Hoffnung.
    So in etwa redete er sich gut zu.
    »Ihr seid immerhin ein Alexandrier!«, sagte er vorwurfsvoll und schlug den breiten Ärmel seiner Kutte zurück. »Dieser Ring hier weist uns als solche aus. Ihr besitzt auch einen.«
    Alarich rümpfte die Nase. Der Ring kam ihm durchaus bekannt vor. Dann fiel es ihm ein: Zu seinem dreizehnten Geburtstag hatte ihm sein Vater den gleichen geschenkt, verbunden mit einer Geschichte von heldenhaften Priestern, die sich und viele Bücher vor einem Feuer gerettet hatten. Eines dieser Bücher wurde sogar, wie er sich zu erinnern glaubte, hier im Haus verwahrt, eine brüchige Schriftrolle, die seit Jahrhunderten niemand mehr zu Gesicht bekommen hatte.
    »Dreihundert Jahre vor Christi Geburt eroberte ein General namens Alexander Ägypten und suchte bei dieser Gelegenheit auch das in der Wüste befindliche Orakel von Amon auf. Dort wurde Alexander eine in blendendes Licht getauchte Vision zuteil, in der Gott ihm befahl, eine Stadt zu errichten, die alle anderen, bisherige und zukünftige, übertrumpfen, eine Stadt, die das Licht der Welt sein sollte, ein Zentrum des Studierens, der Erleuchtung und Toleranz. Sie erhielt den Namen Alexandria. Von dort aus wollte der junge General sein Reich regieren, aber er starb in Persien, im Alter von dreiunddreißig Jahren. Sein Sohn kam später nach Alexandria zurück und begann mit dem Bau der großen Bibliothek und Universität. Aber dreihundert nach Christus wurde die Bibliothek ein Raub der Flammen.
    Die Alexandrier wurden über alle Kontinente verstreut«, schloss der Mönch. »Und jetzt droht unseren Brüdern in Jerusalem und auch den geheiligten Dokumenten, die sie bewahren, Gefahr.«
    Alarich sah ihn verständnislos an.
    »Ihr habt doch einen Eid geleistet, nicht wahr?«
    Alarich überlegte. Sein Vater hatte ihm die Geschichte so erzählt, wie er sie von seiner Mutter vernommen hatte. Seines Wissens hatte keiner in seiner Familie jemals Kontakt zu einem anderen Alexandrier gehabt. Eigentlich hatten sie niemals einen Gedanken an diese Bruderschaft verschwendet. Aber in der Tat, einen Eid hatte er geleistet, auch wenn er nicht mehr wusste, worum es da gegangen war. »Bin ich an ihn gebunden?«, fragte er.
    Gott der Gerechte!
Mit dieser Misere war Christofle schon häufig genug konfrontiert worden. Als ob es die Bruderschaft gar nicht gäbe! Sie schien wie ein Baum zu sein, dessen Laub und Äste abgestorben waren und dessen Stamm vor sich hin faulte. Nur Christofle und ein paar wenige Getreue – sozusagen die Wurzeln – fühlten sich weiterhin ihrer Mission verpflichtet. Ohne ihn und seine tapferen Brüder wäre es mit den Alexandriern aus und vorbei.
    Christofle in seiner stinkenden Kutte warf einen Blick auf die gebratenen Tauben, auf die Weinkrüge. Er dachte an die parfümierte Frau, die oben wartete – und war verbittert. Auf derartige Freuden hatte er zugunsten einer Bruderschaft verzichtet, die zum Aussterben verurteilt war, weil die Menschen mehr ihren Gelüsten frönten, als sich mit Gott zu befassen. Die Häuser, in denen er in Europa vorstellig geworden war, bargen oftmals wertvolle Schätze, die zum Teil verrotteten, weil man sich nicht mehr erinnerte, wozu sie nütze waren. Nachdem die Alexandrier zunächst nach Zypern geflohen waren, hatte man abgesprochen, sich zur Sicherung der Schätze

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