Spur der Flammen. Roman
aus Teeblättern und Tarotkarten und glaubte ernsthaft an die harmonischen Eigenschaften bestimmter Orte auf dieser Erde, zu denen zum Beispiel die Berge von Malibu gehörten. Diese Zora also stand nun auf Candices Schwelle, um wie jeden Montag einen Morgenkaffee zu schnorren, da sie wie gewöhnlich vergessen hatte, am Wochenende einzukaufen. Doch kam sie nie mit leeren Händen. Ihre heutige Morgengabe bestand aus duftenden warmen Zimtbrötchen, frisch aus dem Ofen.
»Zora, was weißt du über einen
Stern von Babylon?«,
fragte Candice, ohne die Nase aus dem Buch zu heben.
»Schönen guten Morgen auch«, meinte ihre Freundin und setzte Wasser auf. »Schon Nachricht aus San Francisco?«
»Noch nicht. Reed meinte, die Museumskommission würde in dieser Woche zu einer Entscheidung kommen.«
»Du kriegst den Job. Teeblätter lügen nicht.« Auch das Wahrsagen gehörte zu Zoras Neigungen. Egal, was die Teeblätter, Tarotkarten, Kristallkugeln und Tierkreiszeichen verrieten, Zora gab ihrer Freundin immer eine positive Prognose. Sie wusste, dass es kritisch um Candices berufliche Zukunft stand. Nach dem verhängnisvollen Zwischenfall am Grab von Pharao Tetef hatte Candices Karriere einen Knick bekommen, und Zora konnte gut verstehen, dass die Freundin mit ihren vierunddreißig Jahren allmählich in eine Art beruflicher Torschlusspanik geriet.
Das Telefon klingelte erneut. Zora erstarrte, hoffte auf gute Nachrichten. Aber es wurde wieder aufgelegt.
»Schon das dritte Mal heute Morgen. Es klingelt und niemand ist dran.«
»Nicht mal ein Atmen?«
Candice ging in ihr Wohnzimmer und holte ein Nachschlagwerk aus dem Regal. Zora folgte ihr. Dann sah sie die E-Mail auf dem Bildschirm und las sie. »Klingt ziemlich verzweifelt.«
»Findest du?«, meinte Candice zerstreut, während sie das Buch nach einem Stern von Babylon durchblätterte.
»Schätzchen«, sagte Zora milde. »Reed kennt deine Situation. Er kennt auch deine Geschichte. Lass ihn mal machen.« Sie wusste, wie viel dieser Auftrag für Candice bedeutete. Buchstäblich die Rettung. Eine zweite Chance. Einen Traumjob in San Francisco – die Koordinierung einer Fernsehdokumentation über das alte Ägypten mit einem Begleitbuch zur Serie –, dem die Hälfte aller Ägyptologen Amerikas hinterherhechelten! Nur bezweifelte Zora, dass es Candices Anliegen förderlich war, wenn sie Reed O’Brian ständig mit nachträglichen Überlegungen bombardierte. »Das ist wie eine Narbe aufkratzen«, riet sie der Freundin.
»Lass ihn in Ruhe.«
»Ich hab die E-Mail nicht abgeschickt. Ich wurde vorher gestört.«
»Gestört?«
»Ein Detective von der Polizei stand plötzlich vor meiner Tür.«
Zora blieb der Mund offen stehen. »Was hat ein Detective hier zu suchen? Hast du Ärger?«
Candice setzte sie über die nächtlichen Ereignisse ins Bild.
»Wie furchtbar«, meinte Zora, die den Professor kannte. Und dann: »Sieht er denn gut aus, dieser Detective? Ist er ledig?«
Candice rief sich den geheimnisvollen Glenn Masters ins Gedächtnis. Er besaß tatsächlich das gute Aussehen seines Vaters. In jüngeren Jahren war John Masters ein ziemlich attraktiver Mann gewesen. »Doch, ich denke schon«, räumte sie ein. »Auf eine gewisse, angespannt nervöse Art.«
»Ich liebe angespannte Männer. Es macht Spaß, sie aufzulockern. Wie Larry.« Damit bezog sie sich auf ihre neueste Errungenschaft.
»Ich dachte, du magst Larry, weil er Joga praktiziert und grünen Tee trinkt.«
»Ich mag ihn, weil er zwei Eigenschaften hat, die ich an einem Mann am meisten schätze. Er ist reich und wohlhabend.« Zora biss ein Stück von dem warmen, zuckrigen Brötchen ab und fragte kauend: »Dieser Detective also, wirst du ihn wieder sehen?«
Candice antwortete nicht. Sie blätterte jetzt völlig konzentriert in einem Buch, das so dick war wie das New Yorker Telefonbuch.
Wieder typisch, seufzte Zora innerlich. Wenn Candice einmal eine Spur hatte, folgte sie ihr so besessen wie ein Spürhund. Wenn sie diese Zielstrebigkeit doch nur auch einmal bei Männern anwenden würde.
Zora ließ Candices Liebesleben vor ihrem geistigen Auge Revue passieren. Da hatte es Paul, den Anwalt, gegeben; David, den Börsenmakler und Benjamin, der eine Kette von Sportartikelgeschäften sein Eigen nannte; dann Gareth, den Koch und diesen Sowieso-Ägyptologen. Alle so viel versprechend am Anfang und dann aus unerfindlichen Gründen ein Reinfall. Und dieses ganze letzte Jahr nichts, nada, null. Enthaltsamkeit.
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