Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
seinen Händen abschirmte wie ein Schuljunge in den Sechzigern. »Ein intelligentes Einsatzkommando. Da das aber ein Widerspruch in sich ist, hätte man am Ende einen toten Gary. Hat man immer. Die könnten einem genauso gut eine Garantie dafür ausstellen, dass der Kerl am Ende tot ist.«
Er war sachlich. Gemessen an der Erregung, die er an den Tag legte, hätten wir genauso gut die Bilder auf der erleuchteten Speisekarte eines McDonalds Drive-In studieren können.
Ich kam zu dem Punkt zurück, an dem ich eingeschlafen war. »Unter welchem Vorwand wurde Black Tide denn beendet?«
Dave blickte mich an, blinzelte, als hätte er alles zu dem Thema vergessen. »Oh. Wir würden eine größere, nationale Operation gefährden. Das Leben von Undercover-Agenten riskieren. Alles Quatsch. Eine größere nationale Operation, von der keiner je gehört hat. Ein Geisterschiff unter den polizeilichen Operationen. Ein Phantom. Alles Quatsch.«
»Das heißt, es wurde ein Nerv getroffen.«
»Und eine sehr starke Reflexreaktion ausgelöst.« Er seufzte. »Ganz oben. Ein Reflex auf Kabinettsebene.«
»Levesque?«
»Das wird uns Gary sagen. Deshalb sind wir hinter Gary her.«
Noch ein Seufzer. »Wie auch immer, als sie Black Tide gestoppt haben, waren wir sicher, dass es an Gary lag, an unserem Interesse an ihm. Und wir wussten wirklich einen Scheißdreck über ihn.«
»Aber Sie haben nicht aufgegeben. Ist es das, was Sie sagen wollen?«
»Stimmt«, sagte Dave. »Wir haben einfach gewartet. Als die Gelegenheit da war, haben wir Black Tide wiederbelebt, eine andere Black Tide diesmal, nicht offiziell, aber auch nicht ohne Freunde. Und wir waren hinter Gary her. Beim ersten Mal hätten wir ihn wahrscheinlich nie erwischt, weil wir alles strikt nach Vorschrift gemacht haben. Dieses Mal durfte es keine Regeln geben. Wir haben den Scheißkerl reingelegt, reingelegt und in den Arsch gefickt. In Thailand haben wir ihm ein halbes Kilo Stoff untergeschoben und damit Aussicht auf zwanzig Jahre Knast, mit dreißig Leuten in einer Vier-Mann-Zelle und Ratten, die einem den Arsch hochkriechen. Canetti hat das arrangiert, großartige Arbeit. Er kennt die Sprache, hat viel Zeit in Thailand verbracht, kennt die Einheimischen. Dann hat er zwei überaus erhellende Stunden mit Gary verbracht, einem verängstigten Gary, der seine Memoiren aufzeichnen ließ. Mehr Zeit konnte er sich nicht nehmen, Gary war ja nur auf der Durchreise. Aber Canetti hatte fürs Erste mehr als genug. Der Rest wären nur ein paar Tage Arbeit gewesen, um ein paar Einzelheiten zu klären. Aber wir wollten Gary erst einmal wieder im Land haben, alles wie immer, damit nicht der Verdacht aufkam, dass wir ihn umgedreht hatten.«
»Was hat Gary Canetti in Bangkok erzählt?«
Dave duckte seinen Kopf unter das Armaturenbrett, nahm einen tiefen Zug, kam wieder hoch, blies den Rauch aus. »Das ist ja das verdammte Problem. Wir wissen es nicht. Canetti hat von Bangkok aus angerufen, war total aufgekratzt, hat gesagt, wartet, bis ihr das seht, da geht euch einer ab, das bricht Mr. S das Genick. Mehr hat er nicht gesagt.«
»Mr. S?«
»Levesque. Mr. Schlitzohr.«
»Wie ist Gary hierher zurückgekommen?«
»Alles musste ganz normal sein. Gary ist direkt nach Melbourne zurückgeflogen. Er kam aus Europa. Weil Canetti sein Geständnis auf Video hatte, war er jetzt auf unserer Seite. Hat sich nicht benommen, als wäre er bei Australia's Funniest Home Videos . Und er konnte auch nicht zu seinen Bossen gehen und sagen: ›Tut mir leid, ich hab Leuten was über euch erzählt, weil ich nicht zwanzig Jahre in Bangkok ins Gefängnis gehen wollte.‹ Die hätten ihn auf der Stelle umgelegt.«
Ich fing an zu verstehen.
»Es bestand allerdings ein Risiko«, fuhr Dave fort. »Was, wenn er aussteigt, gleich einen anderen Flieger nimmt, auf und davon ist, außer Landes, verschwunden? Aber wir wussten, dass er nirgendwo im Ausland Geld hatte, nicht genug beiseite geschafft hatte, um sich in Äthiopien oder Bangladesh zu verstecken. Na ja, ist auch nichts passiert. Er holt den Audi, fährt nach Hause. Wir haben dann unseren Mann von ihm abgezogen, wäre sonst zu riskant gewesen. Wenn jemand Drittes sie gesehen hätte, wäre alles vorbei gewesen, Gary tot, und wir hätten ein Video von einem Toten, der irgendwelche Geschichten erzählt. Vielleicht hätten wir ihn nicht mal bis nach Hause beschatten sollen, wer weiß das schon. Rückblickend fragt man sich, warum zum Teufel wir das überhaupt
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