Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
ungefähr.«
»Na ja, Shelburne war jedenfalls ein Grund zur Besorgnis. Aber wir sind in die nächste Phase eingetreten. Der Typ flog aus Europa ein. Suite im Windsor. Carlos Siebold hieß er, stammte aus Paraguay, Geschäftssitz in Hamburg, so sagte er. Hat Englisch mit spanischem Akzent gesprochen. Aber es war auch ein bisschen Deutsch mit drin, schwer zu erklären. Der aalglatteste Typ, den ich je getroffen hab. Rubinring am rechten kleinen Finger.«
Tony rollte einen unsichtbaren Ring am kleinen Finger seiner rechten Hand hin und her. Wirkte entspannend.
»Hätte ein Kardinal sein können oder ein verdammter Auftragskiller«, sagte er. »Wie auch immer, Shelburne war auch da, hat aber nicht viel gesagt. Siebold hat erzählt, und das ist der springende Punkt, er verträte jemanden namens Klostermann Gardier aus Luxemburg. Eine Privatbank. Der Preis für die vierzig Prozent sollte vier Millionen Dollar betragen. Immer noch weit überhöht, aber was soll's. Siebold meinte, wenn der Deal abgeschlossen wäre, würde Klostermann einen Kreditrahmen von etwa zwanzig Millionen für die Expansion zur Verfügung stellen, Kapital, das als Anteil des nachsteuerlichen Gewinns über zehn Jahre abzutragen wäre.«
»Ich hab zwar keinen Harvard-MBA, aber das hört sich an wie Weihnachten.«
»Viele Weihnachten auf einmal. Und Klostermann ist nicht der Investor. Sie vertreten den Investor. Sind nur der Vermittler. Siebold nennt uns die Namen von anderen Frachtunternehmen, in die der Investor Geld gesteckt hat. Eins in Manila, eins in Hongkong, eins irgendwo anders, ich weiß es nicht mehr. Ich hab also Lousada und seinen Kompagnon, einen Blödmann namens Giddy, der immer alles abgenickt hat, beiseitegenommen und wir sind ins Nebenzimmer gegangen. Ich hab ihnen schlicht und einfach gesagt, dass niemand ein solches Angebot ohne Hintergedanken macht. Dass ich die Leute erst mal abchecken will. Na ja, Lousada war kein Dummkopf, also sind wir wieder reingegangen und haben gesagt, dass wir noch ein paar Tage brauchen. Siebold hat gemeint, er hätte noch andere Sachen zu erledigen, er wäre Freitag zurück in Melbourne und dann wollte er eine Antwort.«
Tony musterte den Apfel, knabberte um das Kerngehäuse herum, warf den Rest in den Papierkorb. »Ich hab Kontakt zu den Unternehmen aufgenommen. Die waren nicht gerade rasend hilfsbereit, meinten aber, ja, Klostermann ist koscher, der Investor ruhig, hat ihnen über die anderen Firmen, an denen er beteiligt ist, Geschäfte zugeschanzt. Mir hat das immer noch nicht gefallen. Die Firma in Manila hatte zwei Geschäftsführer. Einer hieß Gerardo Vega. Ich hab einen Typen angerufen, den ich im Außenministerium in Canberra kannte. Sie kennen ihn bestimmt. Jeremy Powers? Hat auch ungefähr zu unserer Zeit studiert.«
»Dem Namen nach«, sagte ich.
»Egal, ich hab ihm die Namen aus Manila gegeben und er hat mir einen Artikel aus dem Economist zurückgefaxt, in dem stand, dass Gerardo Vega ein Spießgeselle von Marcos sei, für den er in Europa schon große Mengen Gold auf den Markt gebracht hatte. Also hab ich den Economist angerufen und den Verfasser des Artikels ans Telefon bekommen. Der meinte, es sei ein Gemeinschaftsartikel gewesen. Derjenige, mit dem ich sprechen müsste, säße in Melbourne. Wie genial war das denn? Fünf Minuten später hab ich schon mit ihm geredet.«
Er stand auf und ging zu einer Schrankwand, schob eine Tür beiseite und enthüllte einen prall gefüllten Kleiderschrank. Das passende Jackett zu seinen dunklen Hosen war schwer zu finden, da alle Kleidungsstücke in dem Schrank dunkel waren. Aber er schien zu wissen, wonach er suchte.
»Ein gerissener Kerl«, sagte Tony. »Hieß Stuart Wardle. Hat mir gesagt, er könne mir nicht mehr erzählen, als schon in dem Artikel gestanden hätte. Dann hat er mich nach ein paar Namen gefragt, damit er sich über mich erkundigen konnte. Ich hab ihm den Präsidenten der Anwaltskammer und den Dekan der juristischen Fakultät an der Uni gegeben.«
Tony fand seine Jacke. »Zehn Minuten später«, fuhr er fort, »ruft Wardle zurück: Was ich denn genau wissen will? Ich erzähle ihm von dem Klostermann-Angebot. Er sagt, alles was er tun kann, ist mir eine Frage zu nennen, die ich Siebold stellen soll. Ich soll ihn fragen, ob er mir die Beziehung zwischen Klostermann, Arcaro Transport – das ist die Firma aus Manila – und zwei Leuten erklären kann: Generalmajor Gordon Ibell und jemand namens Charles de-Foster
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