Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
vielleicht schießen, aber daraus folgte ja nicht automatisch, dass er auch das Melbourner Adressbuch lesen konnte.«
»Ein Reisekaufmann? Für ein Reisebüro?«
Das Telefon klingelte wieder. Tony nahm ab und sagte: »Schon auf dem Weg.« Er schloss seine Aktentasche und ging zum Schrank, um einen kleinen schwarzen Lederkoffer herauszunehmen. »Novikov, ja. Reisebüro, ja. Hieß Jasons Travel. Kommen Sie mit mir nach unten.«
Die besorgte Louise begleitete uns bis zum Treppenabsatz und versorgte Tony auf dem Weg mit Instruktionen. Ich nahm seine Aktentasche, und wir begannen den Abstieg.
»Aufzüge sind nichts mehr für mich«, erklärte Tony. »Aufzüge sind für Schwächlinge. Wie auch immer, ich dränge also Shane Jarman dazu, die Spur aufzunehmen und zu gucken, wo das hinführt. Alles deutete darauf hin, dass Bryce die Wahrheit sagte, dass er von Koch angeheuert wurde. Die große Frage war natürlich, wer Koch angeheuert hat. Bryce kam aus Sydney, hatte früher mal ein paar kleinere Vorstrafen, danach war er sauber. Ja, angeblich verdiente er sein Geld sogar als Gebäudereiniger. Mit ziemlicher Sicherheit ein Auftragsmörder. Koch war Amerikaner, früher bei der Armee, in den Achtzigern eingewandert. Sein erster Job war bei der Security bei TransQuik, jetzt war er eine Art Mädchen für alles bei Airbound und Fincham und ein paar anderen. Er hatte sogar internationale Kunden.«
Tony blieb auf dem Treppenabsatz stehen und sah mich an. Ich wartete.
»Einer davon ist Klostermann Gardier.«
»O mein Gott.«
Er nickte. »Als Nächstes will Koch mit Shane Jarman reden. Er will einen Handel eingehen. Er sagt, er kann diese Novikov-Sache aussehen lassen wie einen Kaufhausdiebstahl. Will direkt ins Zeugenschutzprogramm und raus aus dem Knast, meint, er wäre in Gefahr. Shane ruft mich an, ich erzähl es dem Generalstaatsanwalt. Spannende Sache, Shane riecht irgendwas, ich riech irgendwas. Wir fangen an. Erledigen ein paar Anrufe. Den Papierkram. Es läuft.«
Schritte hinter uns. Wir blickten uns beide um. Eine junge Frau in Schwarz, Ordner an die Brust gedrückt. Wir gingen auseinander, um sie durchzulassen.
»Zwei Tage später ruft mich der Generalstaatsanwalt zu sich«, fuhr Tony fort. »Er erklärt mir, ab jetzt würden wir wegen Novikov niemanden mehr strafrechtlich verfolgen, die ballistische Untersuchung wäre wiederholt worden und die beiden Kugeln stammten gar nicht aus Bryces Waffe.«
»Wie ist das denn passiert?«, fragte ich.
Tony zuckte die Achseln. »Raten Sie mal. Ich kam mir vor, als hätte mir jemand zwischen die Augen geschossen. Ich hab gefragt, wer denn angeordnet hätte, dass die Ballistik wiederholt wird. Der Generalstaatsanwalt guckt mich nicht an, und das ist ein Mann, den ich für einen Freund gehalten hab, okay? Er hat mich verdammt noch mal bei Gericht abgeworben. Und jetzt guckt er aus dem Fenster und sagt: ›Stell dich nicht so an, Tony. Der Fall ist abgeschlossen. Das war's.‹ Ich hab drüber nachgedacht, hab dran gedacht, an die Öffentlichkeit zu gehen, hab mich unauffällig ein bisschen umgehört, und am nächsten Tag hab ich gekündigt. Am selben Tag haben sie die Mordwaffe in Sydney gefunden. War ein Tipp.«
Wir durchquerten die Eingangshalle, traten auf die Straße. Ein roter Alfa Romeo wartete in zweiter Reihe vor der Tür. Der Fahrer rutschte auf den Beifahrersitz.
Ich sagte: »Ich bin nicht gerade ein Blitzmerker. Bin überhaupt manchmal ein bisschen langsam. Aber wollen Sie sagen, dass das alles auf Levesque zurückgeht?«
Tony nahm mir seine Aktentasche ab. »Bryce und Koch sind beide tot. Bryce hatte einen Unfall. Koch hat sich selbst erschossen. Jarman leitet eine Ein-Mann-Polizeistation im Mallee. An dem Tag, als ich wieder in den Gerichtssaal zurückgekehrt bin, hat mir Apsley Kerr Woodward einen Job angeboten, der vielleicht hundert Riesen im Jahr bringt. Was meinen Sie wohl, was ich damit sagen will?«
»Ich wünschte, ich könnte mir da sicher sein. Und dieser Wardle, der Journalist, das war der einzige Kontakt, den Sie hatten?«
»Das ist alles.«
»Danke. Ich lad Sie mal auf einen Drink ein. Kein Mineralwasser.«
Er nickte. »Gern geschehen. Ich hab Ihre Nummer.« Ich sah zu, wie er zum Auto ging, eine der hinteren Türen aufmachte, seine Taschen auf den Sitz stellte. Er blickte mich an: »Jack, ich will das nicht an Sie übergeben. Da sind immer noch Sachen, über die ich nicht reden kann. Klostermann Gardier gibt nicht auf. Wenn Ihr Kerl in irgendwas
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