Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
Fahrer. »Arschloch.«
Ich saß in einem bequemen Sessel in Tonys getäfeltem Büro und las eine alte Ausgabe des Australian Law Journal, während er duschte. Meine Unkenntnis in Sachen Recht war beunruhigend. Konnte ich denn so viel vergessen haben? Um etwas zu vergessen, muss man es allerdings erst einmal gewusst haben.
Tony kam heraus, krebsrot, gekämmt, dunkle Hosen, schwarze Schuhe, und band sich gerade eine Krawatte über einem blütenweißen Hemd, ein Handtuch über dem Arm.
»Was ist aus Stephanie geworden? Sie war die jüngere Schwester, oder?«
Ich nickte. Wollte nicht so weit in die Vergangenheit zurück.
»Die war schon ein Bild von einer Frau«, sagte Tony. »Ich erinnere mich noch, dass sie immer mit diesen Leuten von der Studentenzeitung zusammen war, diesen hochnäsigen kleinen Arschlöchern.«
»Sie hat einen Künstler geheiratet.«
»Wen? Kenn ich den?«
»Das bezweifle ich. Er hat sich umgebracht.«
»Dann sind seine Bilder jetzt mehr wert. Gut, wo soll ich anfangen? Ich geh bei TransQuik mal ein Stück zurück. In die Zeit vor Levesque und Co. Ich hab ein bisschen was für die Firma gemacht, als sie das alte Transportgeschäft aufgekauft haben, das dem Zusammenbruch nah war. Manny Lousada war damals der Eigentümer, ein heller Kopf, aber pervers. Er hatte ein Talent dafür, alles kompliziert zu machen. Nichts durfte einfach sein. Normalerweise kommt man mit einem ziemlich einfachen Standard-Arrangement aus, um ein Geschäft in zwei, vielleicht drei Phasen abzuwickeln. Man zeigt den anderen, was man hat, und umgekehrt. Nein. Nicht gut genug. Manny wollte sechs Phasen mit kniffeligen Details und Verzögerungen und allen möglichen Rücktrittsklauseln, und das alles ohne erkennbaren Grund.«
Er fing an, sich die Haare mit dem Handtuch trocken zu rubbeln. »Eines Tages rief Manny mich an. Er hätte ein Angebot, ein unglaubliches Angebot. Ein ausländischer Investor wollte vierzig Prozent der Firma kaufen. Für fünf Millionen Eier. Das heißt, die schätzten TransQuik auf zwölfeinhalb Millionen, was den Ertrag sozusagen verzwanzigfachte. Einfach unvorstellbar.«
Tony setzte sich hinter den mit Akten überladenen Schreibtisch und holte zwei rote Äpfel aus der Schublade. »Wollen Sie einen? Ich bin auf Apfel- und Hühnersuppendiät. Mörderisch, aber es funktioniert.«
Ich lehnte ab.
Er biss in den Apfel und kaute eine Weile darauf herum. »Aktivposten waren eine ganze Menge altersschwacher Lastwagen und ein paar Lagerhäuser. Einnahmen ungefähr eine Dreiviertelmillion. Aussichten nicht schlecht, aber meine Güte, das war vierundachtzig, Logistik, und nicht die verdammte Informationstechnologie.«
Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. »Sagen Sie ihm, ich bin in einer Besprechung«, sagte Tony. »Ich weiß, dass er mit mir sprechen will. Er will immer mit mir sprechen. Aber ich will nicht mit ihm sprechen. Louise, ich weiß, unter welchem Druck Sie stehen. Sagen Sie ihm, er soll denen sagen, dass alles läuft. Kein Grund zur Sorge.
Ich denke, dass ich noch heute was höre. Ich ruf ihn morgen an. Ja, ich komme hin. Tun Sie mir einen Gefallen, sprechen Sie mit Wilkes, sagen Sie ihm, dass ich ihn vom Flughafen aus anrufe.«
Er sah auf seine Uhr, blickte mich an und schüttelte den Kopf. »Glauben Sie, es wäre schlimm, Kriminelle als Klienten zu haben? Dann wissen Sie nicht, wie schlimm es mit Anwälten ist.«
Noch mehr Apfel. Den größten Teil des Apfels. »Gut, beschleunigen wir das. Entschuldigen Sie meinen vollen Mund. Das Angebot kam über einen Anwalt aus Sydney. Er hieß Rick Shelburne, eine Zwei-Mann-Kanzlei in Randwick. Ich hab mich umgehört. Ziemlich seltsame Kanzlei, hieß es. Kein reguläres Büro. Tauchte ab und zu auf als Vertreter von irgendwelchen konservativen Großunternehmen aus Queensland, richtig altes Geld, oder von Bauunternehmen und anderen Geschäftemachern. Angeblich hatte er ein Talent dafür, das Votum von Stadträten zu beeinflussen. Außerdem hatte er mal jemanden in Darwin vertreten, für den sich die Bundespolizei sehr interessiert hatte. Waren Sie mal da oben?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich hab meine Zeit da abgesessen«, sagte Tony. »Dachte, Anwälte könnten was ändern. Ha, ha, ha. Das Northern Territory ist eine Gegend, wo man ein kleines Flugzeug durch die pechschwarze Nacht summen hört und nicht automatisch denkt, dass es die Flying Doctors sind, die von einer weiteren barmherzigen Mission heimkehren. Verstehen Sie?«
»So
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