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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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Geschichten? Schafen?«
    Er blickte nach unten, eine Geste der Reue, hob ergeben die rosafarbenen Handflächen. »Es tut mir leid, es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht kränken. Ich möchte nur jegliches Missverständnis vermeiden.«
    »Sie behaupten, Mrs. Canetti sei verwirrt und niemand habe ihr gesagt, ihr Mann sei verschwunden. Stimmt das?«
    Die Frau nickte. »Richtig. Genau.«
    Der Mann blickte zu Boden, kratzte sich über dem linken Auge an der Stirn. »Mr. Irish, die Realität ist, dass Meryl Canetti vielleicht in die Psychiatrie eingewiesen wird. Wir hoffen allerdings, dass es nicht so weit kommt. Ein weiterer Grund zur Sorge ist, dass sie und die Leute, unter deren Einfluss sie steht, es Dean unmöglich machen könnten, seine Arbeit fortzuführen. Und glauben Sie mir, es ist bedeutsame Arbeit.«
    »Worin besteht denn diese Arbeit?«
    »Wenn ich Ihnen das sagen könnte, dann würde ich das tun«, antwortete er. »Und dann müsste ich Sie nicht weiter überzeugen.«
    Wenn man schon Hunderten von Leuten zugehört hat, wie sie ihre Lügen mit einem Schimmer von Wahrheit aufpolieren, dann fängt man an, bestimmte Dinge zu bemerken: eine Spannung in den Schultern, schnelles Blinzeln, angespannte Sehnen am Hals, ein vogelartiges Rucken des Kopfes, die Tendenz, den Mund mit den Händen zu berühren, die Nase, die Augen, die Ohren, ja, sogar die Zähne.
    Alles, was ich an diesem Mann sah, war Müdigkeit.
    »Dieser Besuch hat einen Zweck, nicht wahr?«, fragte ich.
    Der Mann steckte die Hände in die Taschen. »Wir möchten nur sicherstellen, dass Sie wissen, was vor sich geht. Das ist alles«, sagte er. »Sie verstehen, dies ist eine schwierige Zeit für Dean. Er hätte sich schon früher Hilfe suchen sollen, aber er ist auch nur ein Mensch. Darf ich Sie etwas fragen?«
    Ich nickte.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns zu sagen, was genau Sie an Dean Canetti interessiert?«
    »Mich interessiert überhaupt nichts an ihm. Ich interessiere mich dafür, Gary Connors zu finden. Ich nehme an, Gary ist Ihnen bekannt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Den Namen kenne ich nicht. In welcher Verbindung steht diese Person zu Dean Canetti?«
    »Er hat Gary am dritten April beschattet.«
    Er runzelte die Stirn. »Sind Sie sich sicher?«
    »So sicher, wie ich es nur sein kann.«
    Er nickte, zückte eine Brieftasche, nahm eine Karte heraus, hielt sie mir hin. »Die Bundesregierung schätzt Ihre Kooperation«, sagte er.
    Eine Karte mit einer Telefonnummer darauf, sonst nichts.
    »Wir würden es sehr zu schätzen wissen, wenn Sie zuerst mit uns sprechen würden, falls Ihnen irgendetwas Sorgen macht, was die Canettis betrifft. Sagen Sie der Vermittlung, es sei eine Sektion Sechzehn-Angelegenheit.«
    »Sektion Sechzehn?«
    »Richtig.« Er streckte seine rechte Hand aus, den Daumen nach oben, leicht nach rechts geneigt. Die offene, ehrliche, unaggressive Art, zu einem Handschlag einzuladen.
    Ich schüttelte sie, eine überraschend feste Hand, eine Hand, die wusste, was Arbeit ist. Die Frau streckte keine Hand aus. Sie machte ein lächelndes Gesicht. Der Mann schüttelt Hände, die Frau lächelt. Ob es so im Lehrbuch stand?
    Ich folgte ihnen bis zur Tür. Sie waren auf dem Weg zu ihrem Auto, als der Mann über die Schulter sah, sich umdrehte und noch einmal zurückkam.
    »Jack«, sagte er, »ein kleiner Rat unter Freunden. Es dürfte Ihnen kaum gefallen, in irgendwas verwickelt zu werden, das mit Dean Canetti zu tun hat. Das könnte bestenfalls in tiefer Beschämung enden. Es könnte aber auch viel, viel schlimmer kommen. Mehr kann ich nicht sagen. Ich wünschte, ich könnte es.«
    Ich sah ihnen nach, die Frau fuhr.

reitagabend. Am Anfang war Linda noch jeden Freitagabend zurückgeflogen. Die Vorfreude setzte bereits am Dienstag ein. Eines Abends stand sie ausgezogen bis auf BH und Slip vor der Haustür, mit nichts als einem dünnen schwarzen BH , einem winzigen schwarzen Slip am Leib, darunter lange Beine, Sportlerbeine, die in Highheels endeten.
    Es war nicht der richtige Moment, um über die Vergangenheit nachzugrübeln. Ich goss mir ein Glas Mill Hill Chardonnay aus Smeaton ein und rief Drews Büro an.
    »Na, was hängst du da noch so spät rum?«, fragte ich. »Erholst dich von den Anstrengungen in den Minen der Gerechtigkeit?«
    »Im selben Augenblick, in dem wir hier miteinander sprechen«, antwortete Drew, »wird Deodorant in allen Öffnungen, Höhlen und Deltas verteilt. Um die Ausdünstungen zu vertreiben, die die Helden

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