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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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Bowling. Charlie frühstückte zu Hause und dachte über die Demütigungen nach, die er gewissen jugendlichen Mitgliedern des Brunswick Lawn Bowling Clubs zufügen wollte.
    Ich ging zur Tür, Sägespäne im Gesicht und in den Haaren, Sägespäne, die überall an mir hafteten wie ein Gewand. Eine große Frau Ende zwanzig, Anfang dreißig, kurzes dunkles Haar, maskuliner Schnitt wie aus den Fünfzigern, Wollblazer und Flanellhosen. Der Mann war ein bisschen älter, runde Brille, Anzug und Krawatte.
    »Mr. Jack Irish?«, fragte die Frau.
    »Ja.«
    »Es tut uns leid, wenn wir Sie bei der Arbeit belästigen.« Sie hatte Zähne wie aus der Fernsehwerbung und schwarze Knopfaugen. In ihrem bleichen Kinn war eine angedeutete männliche Spalte, wie der Abdruck eines Fingernagels in einem Gebäckstück.
    Irgendetwas hielt mich davon ab, das Lächeln zu erwidern. Diese Leute waren nicht auf der Suche nach klassischen Tischlerarbeiten. »Noch haben Sie mich nicht belästigt.«
    Sie blickten sich an.
    »Können wir reinkommen?«, fragte der Mann lächelnd. Seine Augen waren müde und standen eine Spur zu dicht beieinander.
    »Ist nicht geöffnet«, sagte ich.
    Ihre Blicke trafen sich erneut. Sie sagte: »Mr. Irish, es geht um Meryl Canetti. Wir machen uns Sorgen darüber, dass sie womöglich den Zusammenhang nicht verstehen.«
    »Wir?«, sagte ich. »Wer ist wir?«
    »Wir arbeiten für die Bundesregierung.«
    Ich sagte: »Draußen.« Sie traten zurück, auf den schmalen, löchrigen Bürgersteig hinaus, wahrten Abstand. Eine leere Straße, über uns der spülwasserschmutzige Melbourner Himmel. Ein graues Auto blockierte McCoys Ausfahrt.
    »Weisen Sie sich bitte aus.«
    Der Mann zog eine flache Brieftasche aus Leder hervor, klappte sie auf und zeigte mir einen Ausweis. Foto, Stempel des Commonwealth of Australia. Kein Name. Nur eine Zeile, in der stand: Dies identifiziert den Eigentümer als ei nen Angestellten des Commonwealth of Australia.
    Darunter stand eine Telefonnummer in Canberra, die man zur Bestätigung anrufen sollte.
    »Das ist aber ein nützlicher Ausweis«, sagte ich. »Was sind Sie denn, Angestellter im Landwirtschaftsministerium? Vielleicht auch beim Vermessungsamt? Vermessen Sie Sachen?« Ich gab ihm die Brieftasche zurück. »Und die Telefonnummer, die ist auch sehr nützlich. Besagte Prophezeiung, die sich selbst erfüllt.«
    Der Mann sagte: »Können wir nicht reingehen? Ist ein bisschen exponiert hier.«
    Sie folgten mir hinein. Ich lehnte mich an eine Hobelbank.
    »Kann man sich hier irgendwo hinsetzen?«, fragte der Mann. Sein blondes Haar war zur Seite gekämmt, spitz zulaufender Haaransatz in der Stirn, ein Hauch von Grau an den Schläfen. Er hätte auch als Priester der United Church durchgehen können. Wahrscheinlich war er schwul.
    »Dies ist eine Werkstatt«, erklärte ich. »Normalerweise arbeiten wir hier im Stehen.«
    Er blickte sich um, zuckte die Achseln. »Gut.« Er schien sich einen Ruck zu geben. »Ich muss Sie bitten, niemandem etwas von dem zu erzählen, was ich Ihnen sage, oder auch nur zu erwähnen, dass wir mit Ihnen gesprochen haben. Ich werde mich kurzfassen. Meryl Canetti geht es nicht gut.«
    »Wie kommen Sie darauf, mich mit Meryl Canetti in Verbindung zu bringen? Wer immer das sein mag.«
    Glätten des Haars, Nicken, verständnisvolles Lächeln.
    »Meryl steht unter Überwachung«, erklärte er. »Zu ihrem eigenen Schutz. Sie haben mit ihr gesprochen. Wir wollen nur das Beste für Meryl und ihre Familie.«
    Ich sagte nichts.
    »Mr. Irish, Meryls Mann hat wichtige Aufgaben, hoch vertrauliche Aufgaben. Manchmal muss er für längere Zeit weg sein. Meryl fällt es schwer, damit zurechtzukommen, sie neigt zum Fantasieren, hat Depressionen, leichtere manische Zustände.«
    Sein Gesichtsausdruck bat mich, Verständnis zu zeigen, zu nicken. Ich kam seiner Aufforderung nicht nach.
    »Ein weiteres Problem besteht darin, dass sie ihre Medikamente nie lange genug einnimmt. Nach einer Reihe von schmerzhaften …«
    Pause.
    »Ich bin sicher, Sie verstehen, wie delikat diese Angelegenheit ist. Ihr Mann hat Meryl vor Kurzem erst mitgeteilt, dass er die Ehe nicht weiterführen kann. Dies hat irgendetwas bei ihr ausgelöst, und jetzt fängt sie an, verrückte Geschichten zu erzählen. Manchmal ist Dean verschwunden, manchmal ist er tot. Was uns Sorgen macht, ist, dass ein paar sehr seltsame Leute sie darin noch bestärken.« Pause. »Können Sie mir bis hierhin folgen?«
    »Wem erzählen Sie sonst ihre

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