Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
Vom Netzwerk:
der Unterdrückten schmücken. Auch wenn ich noch hinzufügen darf, dass manche diese Ausdünstungen höchst stimulierend finden.«
    »Du redest mit denen«, sagte ich. »Mir reicht es schon, einen Anwalt hinter seinem Schreibtisch sitzen zu sehen, der mit dem Finger eine Stelle in einem juristischen Wälzer markiert. Vielleicht bei dem entscheidenden Präzedenzfall.«
    »Noch bevor die heutige Nacht zu Ende sein wird«, erwiderte Drew, »werden meine gefühlvollen Finger wohl einen oder zwei entscheidende Präzedenzfälle getestet haben. Auch wenn ich gleich hinzufügen möchte, dass ich nicht eigens losziehe, um Präzedenzfälle zu testen. Ganz im Gegenteil. Es geht eher um einen Austausch von Schriftsätzen.«
    »Eine nahe Begegnung der vierten Art?«
    »In der Tat. Mit etwas, von dem ich annehme, dass man es ein ›Babe‹ nennt.«
    »Das Wort steht auf dem Index. Schätze, die Begegnung der dritten Art hat gerade erst stattgefunden?«
    »Im Georges, gestern. Eine atemberaubende Kreatur in Schwarz. Wir sind ins Gespräch gekommen, weil wir beide Räucheraal bestellt hatten.«
    »Das kann kein Zufall sein, das ist mehr als Zufall. Wirklich seltsam. Vier Vorspeisen, und ihr entscheidet euch beide für den Aal. Mir würde das ja Angst machen. Hast du Lust, morgen mit zum Footy zu kommen?«
    Er seufzte. »Du hörst nicht auf mit diesem Blödsinn, was? Wie soll ich denn zum Footy gehen, wenn es mir scheißegal ist, wer gewinnt? Das ist doch absoluter Mist!«
    »Komm.«
    Pause. »Mein Gott, ich weiß nicht, vielleicht bin ich bis dahin noch nicht mal wieder aus dem Bett. Könnte sogar noch in einem Liebesknoten verstrickt sein. Wo?«
    »Waverley.«
    »Das erleichtert die Entscheidung. Ein andermal vielleicht.«
    »Sicher?«
    »Waverley? Das muss wahre Liebe sein. Man fährt nach Waverley, weil man seine Mannschaft liebt. Aber da draußen stehen, in Wind und Regen, mit zwei Mannschaften, die einem vollkommen gleichgültig sind? Ich gebe dir ein unmissverständliches ›Selbstverständlich, Euer Ehren‹.«
    »Na gut. Dann leb dein sinnloses Leben weiter. Genieß es. Wahrscheinlich ist sie sowieso 'ne Nutte. Viele Nutten essen im Georges zu Mittag. Hat dich reinkommen sehen. Ist sie gebräunt? Nimm sie bloß nicht zum Schaufensterbummel mit.«
    Ein kurzer Augenblick des Zögerns. »Du Scheißkerl. Machst doch alles Gute madig, oder? Wie steht's denn um dein Privatleben?«
    »Für den Fall, dass ein Held der Gerechtigkeit seine Meinung noch ändert«, sagte ich, »der Konvoi verlässt den Prince gegen 12 Uhr 15.«
    »Um es mal ganz klar zu sagen«, entgegnete Drew, »ein alter Studebaker Lark voller Greise ist kein Konvoi.«
    »Ein Geschwader aus Erinnerungen.«
    Trostessen, ich brauchte ein Trostessen. Eier. Ich hatte Eier. Landeier, die mir hier im Herzen der Großstadt frei Haus geliefert wurden. Die kleine alte Dame in meiner Straße verkaufte mir jede Woche ein halbes Dutzend, vervollständigt durch die authentisch aussehenden Substanzen, die noch an den Schalen klebten. Sie bekam sie von ihrer Enkeltochter, die sich auf einer kleinen Farm kurz unterhalb der Schneegrenze abrackerte. Das war die ganze Geschichte. Ich mochte das, zahlte sechs Monate im Voraus, und sie legte sie mir jeden Donnerstag in den Briefkasten.
    Ein Omelett, ein einfaches Käseomelett, mit Parmesan, der zuvor in einer Pfütze Weißwein geschmolzen war. Wenn ich noch Parmesan hatte. Ja, steinhart und etwas schwitzig, aber ansonsten in einigermaßen ordentlichem Zustand. Ich wünschte, ich hätte das von mir selber behaupten können.
    Das Telefon klingelte. Simone Bendsten.
    »Es gibt Fortschritte.«
    »Ich komme vorbei.«
    Jetzt war sie geschäftsmäßig gekleidet: cremefarbene Bluse mit Stehkragen, schwarze Leinenhose. Ich setzte mich in denselben Stuhl wie letztes Mal.
    »Einen Drink?« Sie zeigte auf eine offene Flasche Rotwein auf dem Küchentresen. Ich nickte, sah ihr nach. Sogar auf flachen Absätzen hatte sie ungewöhnliche Proportionen für jemanden, der so klein war.
    Sie kam mit zwei langstieligen Gläsern zurück, reichte mir eines, nahm sich ein großes Ringbuch und setzte sich mir gegenüber.
    »Carlos Siebold«, sagte sie.
    »Ja.«
    »Nun, es kam nur ein Carlos heraus. Es gibt ein Institut in Washington namens ›Richard Nixon Institut für das Wahrheitsprinzip in der Regierung‹.«
    »Sehr drollig.«
    »Ja. Der Name ist ein Witz, aber das Institut ist seriös. Die beobachten den US-Kongress, die Washingtoner Bürokratie. Eine

Weitere Kostenlose Bücher