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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland
Autoren: Beate Sommer
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Wahrnehmung und wertete halbherzig als Einbildung, was eben noch unmittelbar drohende Gefahr gewesen war.
    Sie ging an ihrem Haus vorbei, vergewisserte sich, dass niemand hinter den parkenden Fahrzeugen lauerte, zögerte, nun doch wieder gewiss, dass er sich bestürzt abwenden würde, wenn sie sich umdrehte, blitzschnell, erwischt, dachte sie, hoffte sie. Da war niemand, auch hinter den Mülltonnen nicht. Zitternd zerrte sie ihre Schlüssel aus der Tasche, traf das Schloss erst im dritten Anlauf, verdammt. Sie schlug die Tür hinter sich zu und gab ihrer Mattigkeit nach, nahm den Fahrstuhl, der einladend bereitstand, dieses eine Mal nur, es wird schon gut gehen. Sie schließt die Augen, fest, traut sich nicht, sie wieder zu öffnen, der Druck in den Ohren, ihr Magen hüpft, als der Käfig ein Stückchen, meterweise sicherlich, absackt, bevor die Türen wider Erwarten mit einem lüsternen Schmatzen auseinandergleiten, verharrt fast regungslos, nur kaum merklich bebend, das Kaninchen vor der Schlange, das ist unser Schicksal, denkt sie, seit Urzeiten schon, aufs Unheil warten, jetzt.
    Nichts passiert. Sie reißt ungläubig die Augen auf und stolpert auf ihre Wohnungstür zu, findet das Schlüsselloch augenblicklich, öffnet die Tür und lauscht. Stille, dumpf und muffig, und ein Klingeln lässt sie zusammenfahren vor Schreck und innehalten, bis sie begreift, was diesen Höllenlärm verursacht, die Tür hinter sich zuschlägt und zum Telefon stürzt.
    »Müller«, keuchte sie in den Hörer.
    »Lübben, Kripo Leer. Alles in Ordnung bei Ihnen?«
    »Ja, ja schon.«
    »Gut. Ich habe Sie im Büro nicht erreicht. Ich würde Ihnen gern ein paar Fotos mailen.«
    »Von Inkas Angreifer?« Für einen Moment war sie zuversichtlich, dass sich der eben durchlittene Alptraum bald auflösen würde.
    »Ich hoffe es. Wir haben ein paar Aufnahmen von den Schaulustigen gemacht. Vielleicht ist er ja dabei.«
    »Gut, ich setz mich gleich dran.«
    »Paul Zinkel hat auch eine Kopie, es ist also egal, wen von uns Sie informieren.«
    »Okay. Wie geht es Inka?«
    »Unverändert.«
    »Ist das gut oder schlecht?« Sie nieste, sicherlich ein gutes Omen.
    »In Anbetracht ihrer Verletzungen denke ich, dass das gar nicht schlecht ist.«
    »Ja, dann«, sagte sie lahm, »ich melde mich gleich.«
    »Mit gleich rechne ich mal nicht«, bremste Lübben. »Es sind einige Aufnahmen, und die Auflösung ist nicht besonders. Also nehmen Sie sich Zeit. Und gute Besserung.«
    »Kann ich brauchen«, erklärte sie und verabschiedete sich.
    Sie fuhr ihren Laptop hoch und rief das Mailprogramm auf. Vier Spams, die allesamt unverhofften Reichtum versprachen, eine von sexy Hexy, nach der ihr so gar nicht der Sinn stand, und zuletzt die Mail von Lübben. Es dauerte schier ewig, bis sie sie heruntergeladen und die Aufnahmen im Picture Manager zwischengespeichert hatte. Die Auflösung war beschissen, stimmte sie Lübben zu und setzte ihre Lesebrille auf.
    Bereits das erste Durchsehen der siebenundzwanzig Fotos bescherte ihr einen rauchenden Schädel. Sie holte sich ein Glas Wasser aus der Küche, versenkte eine der Vitamintabletten darin und machte, wenn sie schon dabei war, auch gleich Gebrauch von dem Nasenspray. Das war nicht schlecht, befand sie und fühlte sich nicht mehr gar so elend. Auf ein Neues also, feuerte sie sich an und begann von vorn, verwendete bei diesem Durchgang die Zoom-Funktion, um die Schaulustigen besser auseinanderhalten zu können.
    Sie suchte zunächst nach jemandem, der die Umstehenden überragte, denn nach ihrem Eindruck war der Bote ziemlich groß gewesen. Auf der neunzehnten Aufnahme entdeckte sie ihn. Mit deutlich klopfendem Herzen vergrößerte sie um weitere fünfundzwanzig Prozent. Zu verpixelt. Sie verkleinerte wieder. Sie rief sich das Foto in Gentners Jagdhütte in Erinnerung, die Ähnlichkeit der beiden Männer, die vielleicht nur auf der schlechten Bildqualität beruhte. Wie hier. Es könnte jeder von ihnen sein, musste sie zugeben. Sie wusste auch, wer womöglich in der Lage war, ihr zu sagen, wer der Mann war.
    Sie fuhr das System herunter, steckte den Laptop in seine Tasche und schrieb einen Zettel für Niklas, bevor sie das Haus verließ, die Beklommenheit, die sie vorhin empfunden hatte, als reine Einbildung beiseiteschiebend.
    ***
    Katharina Martens klebte ein Schleifchen auf das eben verpackte Buch und kassierte, als wieder die Ladenklingel anschlug und Marilene hereinkam. »Hallo, was führt dich denn hierher?«, erkundigte
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