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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland
Autoren: Beate Sommer
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irgendjemanden informieren sollen, wo sie war.
    Sie tastete in ihrer Manteltasche nach ihrem Handy, um das nachzuholen, zu spät, da kam ein Typ, der sich suchend umblickte. Trottel, dachte sie, außer ihr stand hier niemand blöde in der Gegend herum. Das ging ihm anscheinend soeben auf, denn jetzt kam er auf sie zu, ein älterer, übergewichtig wirkender Mann mit grauem Haar und Schnurrbart, der ihr mit übertriebener Geste zuwinkte.
    »Frau Müller?«, erkundigte er sich.
    Sie nickte. »Hallo«, stieß sie krächzend hervor. Die eisige Luft hatte ihrer Stimme den Rest gegeben.
    »Oje, und da habe ich Sie so lange warten lassen. Das tut mir leid, ich stand am falschen Brunnen, bis mir aufgefallen ist, dass der andere keinen Löwen drauf hatte.«
    Sie nickte nur, eine sarkastische Bemerkung wollte ihr partout nicht einfallen. »Lassen Sie uns verschwinden«, sagte sie und nieste. Sie erinnerte sich an die Richtung, in der sich das Café befand, und ging einfach voran. Mittlerweile war es ihr gleichgültig, ob er ihr folgte oder es bleiben ließ, sie wollte jetzt etwas Warmes zu trinken und dann so schnell wie möglich nach Hause. Niklas würde sich schon wundern, wo sie blieb.
    ***
    Phantastisch, dachte er, sie dachte gar nicht daran, misstrauisch zu sein. Er stellte keine Bedrohung für sie dar, zu alt, zu grau, zu trottelig – er hatte ihr die Gedanken förmlich vom Gesicht ablesen können, und genau das war seine Absicht gewesen. Er unterdrückte ein selbstzufriedenes Lächeln, trottete hinter ihr drein, bemüht, seinen Gang schwerfällig wirken zu lassen, sollte sie sich nach ihm umdrehen. Was sie nicht tat. Erst kurz vor dem Café, das sie ansteuerte, schloss er zu ihr auf.
    »Darf ich?«, fragte er beflissen und hielt ihr die Tür auf.
    Sie steuerte auf einen freien Tisch am Fenster zu. Er half ihr aus dem Mantel, wollte ihn schon zur Garderobe bringen, um unauffällig die Taschen durchsuchen zu können, und unterließ es dann doch, hängte ihn einfach über ihre Stuhllehne. Er hätte ihr Handy gern ausgeschaltet, aber wenn es im Mantel steckte, dann hätte sie es ohnehin vorher herausnehmen wollen, und er wollte sie gar nicht erst auf die Idee bringen, es anzurühren. Hoffentlich klingelte es nicht ausgerechnet jetzt.
    Die Bedienung fragte sie nach ihren Wünschen, und sie bestellte eine heiße Zitrone. Es war, als hätte er ihr das eingegeben, dachte er, nichts war besser, um den Geschmack zu überdecken. Er entschied sich für einen Kakao.
    »Nun«, sagte er bedächtig, wie es seiner Erscheinung angemessen war, »ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
    Sie blickte sich suchend um. »Dann überlegen Sie einfach noch ein bisschen, ich bin gleich wieder da.« Sie erhob sich und verschwand in Richtung Toiletten.
    Er war versucht, zu jubeln, scharrte gedanklich mit den Füßen, wie um die Bedienung zur Eile anzutreiben, und musterte die Gäste an den umliegenden Tischen. Gegenüber saßen zwei junge Mütter, die ihre herumkrabbelnden Kinder schon nicht beachteten, sie stellten keine Gefahr dar. Zur Linken hatten ein paar Jugendliche die Tische zusammengeschoben, und auch sie waren ausschließlich und lautstark mit sich selbst beschäftigt. Den Tisch hinter ihm schirmte er selbst ausreichend ab. Genauso hatte er sich das vorgestellt. Die vermeintliche Sicherheit im Getümmel.
    Die Kellnerin näherte sich und stellte die Tabletts mit ihren Getränken ab, die heiße Zitrone netterweise vor ihn.
    »Ich würde gern gleich zahlen«, bat er.
    Sie nickte nur und entfernte sich wieder. Er zog das Röhrchen aus seiner Tasche, öffnete es noch unter dem Tisch und verbarg es in der Hand. Ein letzter Blick zeigte, dass niemand, wirklich niemand sich für ihn interessierte. Er hielt die Hand über das Glas und träufelte die Flüssigkeit hinein. Das Umrühren würde er ihr überlassen, unwahrscheinlich, dass sie das Zeug ohne Zucker zu sich nahm. Er schob ihr Tablett an seinen Platz und zog seines gerade zu sich heran, als sie zurückkam und sich setzte. Jetzt musste er nur noch etwa fünfzehn Minuten mit einem Gespräch überbrücken, bei dem es auf den Inhalt absolut nicht ankam, abgesehen davon, dass sie nicht abhauen durfte.
    ***
    Marilene öffnete zwei Zuckertütchen und streute den Inhalt in ihr Glas.
    »Ich werde mich kurz fassen«, sagte Morgenroth. »Sie gehören ins Bett. Wohl bekomm’s.«
    Marilene nickte nur und rührte angelegentlich in ihrem Glas. Der Sturm im Wasserglas, dachte sie, die Zuckerkristalle
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