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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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auf den Weg in die Buchhandlung machen müssen. Zeit war der entscheidende Faktor, wenn es um vermisste Personen ging, und er konnte sich nicht darauf verlassen, dass auch Franziska Eising unversehrt wieder auftauchen würde.
    ***
    Katharina Martens legte entnervt den Hörer auf. Der Anruf hatte absolut zu diesem Tag gepasst. Den Vormittag über hatte es nichts als Beschwerden wegen Samstag gehagelt, und am Nachmittag hatte ein Gucker den anderen abgelöst, und jeder war seltsamer als der vorige gewesen.
    Es gab gelegentlich Tage, an denen kaum ein normaler Mensch den Laden betrat, den ersten schrägen Vogel ignorierte man noch, aber sobald der zweite auftrat, wurde ganz sicher eine Serie daraus. Genauso war es heute: von der Frau, die minutenlang überlegte, ob sie ihre Bücher eingepackt haben wollte, über einen Schüler, dessen Sprache an ein Schnellfeuergewehr erinnerte und der ob ihrer Nachfragen empört war, bis hin zu der Frau, die sie mit jedem »oder vielleicht« quer durch alle Abteilungen trieb, nur um dann zu sagen, dass sie doch lieber noch ihren Mann fragen würde, was er dazu meine. Und zuletzt dieser Anruf. Geschlagene zwanzig Minuten für ein einziges Buch, und zwar eben jenes, das sie als Erstes empfohlen hatte.
    Sie hörte die Wohnungstür auf- und wieder zugehen und ging in den Flur. Die Konferenz ihres Mannes hatte länger als erwartet gedauert, sie hatte schon gegen fünf mit ihm gerechnet. »Na, war’s schlimm?«, begrüßte sie ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
    Er stöhnte. »Zeitvergeudung, wie immer.« Er hasste nichts so sehr wie diese Konferenzen, bei denen hochtrabende Beschlüsse gefasst wurden, die dann doch nie eingehalten wurden. Er behauptete, dass in den bald fünfzehn Jahren, die er jetzt im Schuldienst war, einige Themen bereits fünf Mal auf der Tagesordnung gestanden hatten, und jedes Mal so, als handele es sich um etwas vollkommen Neues. »Und wie war dein Tag?«, erkundigte er sich.
    »Frag mich nicht«, entgegnete sie und wollte eben mit der größten Katastrophe beginnen, als die Ladenklingel anschlug. Seufzend eilte sie nach vorn und hoffte, dass es etwas Unkompliziertes sein möge. Ihr reichte es für heute. Ein hagerer dunkelhaariger Mann, Anfang fünfzig, schätzte sie, lehnte am Tresen und musterte sie.
    »Frau Martens?«, fragte er, bevor sie eine Chance hatte, ihn zu begrüßen.
    Sie nickte und verkniff sich einen Hinweis auf ihr Namensschild.
    »Guten Abend«, murmelte er verspätet und streckte ihr einen Ausweis entgegen, »Hauptkommissar Jens Hartmann. Ich hätte ein paar Fragen betreffend Franziska Eising.«
    »Haben Sie sie gefunden?«, fragte sie und musste schlucken. Auf einmal wurde erschreckend real, was sie den Tag über halbwegs hatte verdrängen können. Selbst als jemand von der Vermisstenstelle angerufen und einen Haufen seltsamer Fragen gestellt hatte, war ihr das noch einigermaßen gelungen. Es würde schon alles in Ordnung sein, hatte sie ihre Ängste beschwichtigt, sicherlich habe man nur vergessen, sie zu benachrichtigen.
    Er schüttelte nur den Kopf.
    »Kommen Sie herein«, forderte sie ihn auf und ging ihm voran durch den Flur, in dem sich nicht ausgepackte Kisten stapelten, bis in die Küche, die, seit sie den Laden erweitert hatten, auch als Büro diente.
    Sie hatte sich an das Chaos gewöhnt, daran, dass sie, wenn sie kochen wollte, immer erst den Herd frei räumen musste, und umgekehrt, wenn sie Vertreter empfing und den Tisch brauchte, der Herd als Ablage dienen musste. Während der Reisezeit der Vertreter konnte es vorkommen, dass sie sogar auf den Fußboden ausweichen musste, wo sich bedrohlich schwankende Stapel von zu remittierenden Büchern Halt suchend gegeneinanderneigten. Sie konnte damit leben, und es war ihr egal, was Kunden, die zur Toilette wollten, denken mochten, wenn sie auf dem Weg dorthin über Hindernisse steigen mussten. Aber in diesem Moment war sie geneigt, sich für das Durcheinander zu entschuldigen, als befürchtete sie, einen falschen Eindruck zu erwecken. Sie unterließ es trotz Hartmanns hochgezogener Brauen.
    »Nehmen Sie Platz.« Sie wies auf einen Stuhl und ließ sich ihm gegenüber nieder. »Halten Sie mich nicht für unhöflich, aber wenn es klingelt, muss ich raus. Wir haben bis neunzehn Uhr geöffnet, und ich bin allein«, erklärte sie. Das Knarren der Fliesen im oberen Bad strafte ihre Worte Lügen.
    »Tatsächlich«, entgegnete Hartmann trocken, »dann sollte ich wohl besser mal nachsehen,

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