Spur nach Ostfriesland
welch ungebetener Gast sich bei Ihnen herumtreibt.«
»Das ist bloß mein Mann.« Sie merkte, wie sie rot wurde, und zog daraus eine tiefschürfende Erkenntnis: Es war etwas völlig anderes, über Polizisten zu schreiben, als mit ihnen in der Realität zu tun zu haben. »Er arbeitet hier nicht mehr«, fuhr sie fort.
Sein Gesicht nahm einen teilnahmsvollen Ausdruck an, und sie begriff, dass sie würde gründlicher nachdenken müssen, ehe sie redete. »Er ist Lehrer von Beruf«, erklärte sie, bevor er womöglich Mitgefühl äußerte, »und vor einigen Jahren doch noch in den Schuldienst gekommen. Seitdem mache ich das hier allein mit den Mitarbeiterinnen.«
»Wer arbeitet denn alles bei Ihnen und zu welchen Zeiten?«, fragte Hartmann und zog Block und Kugelschreiber aus der Innentasche seines Jacketts.
»Da ist einmal Angelika Borden. Sie arbeitet Vollzeit bis Freitagmittag. Dann haben wir unsere Auszubildende Marie Jessen.« Sie stellte verwundert fest, dass sich Hartmanns Miene verfinsterte. »Und außerdem ist da, wie Sie wissen, noch Franziska Eising. Sie studiert Germanistik und arbeitet nur freitags hier, außer wir sind verreist, dann macht sie auch die Samstage. So war das auch –«
Hartmann hob die Hand und unterbrach sie. »Dazu kommen wir noch, wenn ihr Mann zu uns stößt.«
Oje, dachte Katharina, wahrscheinlicher war, dass daraus ein Zusammenstoß wurde. Ihr Mann war nicht direkt ein Obrigkeitsfan und nutzte gern jede Gelegenheit für provozierende Bemerkungen. Sehr beliebt waren bei ihm zum Beispiel die Sicherheitskontrolleure an Flughäfen, dabei wusste man doch, dass diese Leute zumeist humorlos waren. Außerdem machten die auch nur ihre Arbeit, aber das war erst recht ein Satz, der ihn auf die Palme brachte. »Er weiß noch nicht, was passiert ist. Er ist eben erst nach Hause gekommen.« Wie aufs Stichwort hörte sie ihn die Treppe herunterkommen.
»Was weiß ich noch nicht?« Michael schlenderte lässig herein und ließ seinen Blick von Katharina zu Hartmann wandern. »Martens«, sagte er knapp. Manchmal musste man auch für die kleinen Dinge dankbar sein.
Hartmann stand auf und stellte sich vor. Es klingelte schon wieder, kurz vor sieben, stellte sie fest und eilte in den Laden. Bis sie den Kunden bedient und abgeschlossen hätte, wären die Fronten geklärt, hoffte sie, und richtig, als sie zurückkam, hatte ihr Mann ihren Platz eingenommen und die Stacheln eingefahren, sogar Wasser in zwei Gläser eingeschenkt.
»Sie wird es einfach vergessen haben«, sagte er eben. »Natürlich ist das ärgerlich, und es wird sicherlich Konsequenzen haben«, er warf ihr einen vielsagenden Blick zu, »aber Gott, in dem Alter hat man doch andere Dinge im Kopf. Und ein bisschen schusselig ist sie schon.«
»Ja«, stimmte Katharina zu, »aber genau deswegen habe ich sie am Mittwoch angerufen und noch einmal darauf hingewiesen. Sie hat das nicht vergessen, das ist völlig ausgeschlossen. Außerdem hat sie ja am Freitag ganz normal gearbeitet, und da ich schon weg war, hätte sie sich auf jeden Fall erinnert, dass sie am Samstag arbeiten sollte. Ich habe mir übrigens«, wandte sie sich nun an Hartmann, »den Kassenabschluss angesehen. Den hat sie gemacht, und zwar erst um neunzehn Uhr zehn, was bedeutet, dass sie noch einen Kunden gehabt haben muss, denn ihr Zug geht schon um kurz nach sieben. Allerdings war der letzte zahlende Kunde schon um achtzehn Uhr siebenundzwanzig da, und der hat bar bezahlt, sodass das nicht weiterhilft.«
»Und wann geht dann der nächste Zug?«, fragte Hartmann.
»Erst kurz nach acht«, antwortete sie, »und bei der Kälte ist sie bestimmt nicht draußen herumgelaufen. Sie wird hier gewartet haben.«
»Ja«, stimmte Hartmann zu, »da müssen wir dann wohl die Nachbarn befragen, ob ihnen etwas aufgefallen ist, ein Fahrzeug oder jemand, der hier herumlungerte.« Er machte sich eine weitere Notiz.
»Gegenüber ist das Gemeindehaus der evangelischen Kirche. Wenn dort eine Veranstaltung stattgefunden hat«, wandte sie ein, »war die ganze Straße zugeparkt.«
»Danke für den Hinweis, das werde ich als Erstes klären.« Hartmann schob seinen Block zur Seite, als wolle er aufbrechen. »So, und Sie beide waren verreist?«, erkundigte er sich beiläufig, zu beiläufig, wie sie fand. »Hatten Sie schulfrei?«, wandte er sich an ihren Mann.
»Nein, ganz im Gegenteil, ich hatte Elternsprechtag am Nachmittag und bin erst spät nachgekommen.«
»Wohin nachgekommen?«
»Wir waren bei
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