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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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ging. Sie trägt einen kurzen Rock, man kann einem Mann nicht verdenken, dass er anfassen will, was er sieht? Nein, die Röcke waren es zu ihrer Zeit, heute lagen ganze Bäuche frei, und die armen Männer wussten gar nicht mehr wohin mit ihren Trieben, reizprogrammierte Wesen, die sie waren. Sie hatte tatsächlich geglaubt, diese Selbst-Schuld-Mentalität sei längst ausgestorben.
    »Sie wissen, was ich meine.« Hartmann wand sich.
    »Noch nicht«, ließ sie ihn schmoren. Er konnte nicht wissen, dass sie in solchen Diskussionen eine durchaus harte Schule durchlaufen hatte.
    »Sie sagten doch, Frau Eising habe sich zum Beispiel über Einladungen aufgeregt. Wie hat sich das geäußert? Hat sie abfällig reagiert? Verletzend womöglich?«
    »Nein, aufgeregt hat sie sich mir gegenüber, nicht im Geschäft, das geht nicht, und das weiß sie auch. Das ist ja gerade der Punkt, dass man in einer schwachen Position ist, in der man sich nicht effektiv wehren kann. Den lässigen Spruch, um eine solche Klippe zu umschiffen, ohne selbst das Gesicht zu verlieren und auch ohne eine unangenehme Gegenreaktion hervorzurufen, den hat man nicht auf Lager, nicht spontan und nicht in dem Alter. Andererseits ist sie auch nicht ein so leicht einzuschüchterndes Mäuschen, wie ich mal eines war, und es könnte schon sein, dass man ihr anmerkt, wie es in ihr brodelt, aber sie lässt das nicht raus.«
    »Soweit Sie wissen«, entgegnete Hartmann. »Aber es könnte ja sein, dass am Freitagabend eine Situation eingetreten ist, mit der sie nicht so souverän umgehen konnte.«
    »Ich kann mir das nicht vorstellen«, erklärte Katharina. »Selbst wenn sie jemanden mit drastischeren Worten abgewiesen haben sollte, ist das ein Grund für, ja wofür? Eine Entführung, einen Mord? So etwas passiert in Romanen, doch nicht im wirklichen Leben.«
    »Ich würde Ihnen ja zustimmen, wenn da nicht noch Birgit Kainz wäre.«
    »Die gerade mal ein paar Tage bei uns war und kaum die Chance hatte, jemanden auf sich aufmerksam zu machen. Nein, das ist ein blöder Zufall, mehr nicht. Ich meine, also echt«, irgendwie geriet sie ins Stammeln, »ein Unbekannter soll meinen Mitarbeiterinnen auflauern? Warum gerade meinen? Warum hier? Eine Disco, eine Kneipe, sogar ein Kino, aber eine Buchhandlung? Nee, da komme ich nicht mit.«
    »In diesen Lokalitäten gibt es immer auch einen Haufen Zeugen, das ist hier wohl nicht unbedingt der Fall.« Hartmann stand auf und sammelte sein Schreibzeug ein. »Und was, wenn es gar kein Unbekannter war? Sie hören von mir«, fügte er hinzu und ging.
    Sie hörte den Riegel schnappen, das zweimalige Klingeln, schrill und atonal. Michael folgte ihm und schloss ab. Sie konnte sich nicht rühren. Kein Unbekannter, hallte es in ihrem Kopf, wieder und wieder.
    ***
    Ein Klopfen an der Balkontür ließ Marilene herumfahren.
    Niklas zog die Tür auf. »Telefon für dich. Außerdem wollte ich dich gerade fragen, ob du nicht einen Grill hast, damit ich dir einheizen kann.«
    Sie grinste. »Nur zu, immer auf die alten Leute«, spottete sie, »wer ist denn dran?« Sie ließ den Rest ihrer abendlichen Zigarette in die Coladose fallen und ging hinein, sich auf die tauben Wangen klopfend. Ihre Beine fühlten sich auch irgendwie seltsam an.
    »Buchhandlung Martens.«
    Marilene schlappte Richtung Schreibtisch und setzte sich, bevor sie den Hörer aufnahm. »Hallo?«
    »Katharina Martens, und nein, nicht erschrecken, es hat nichts mit Marie zu tun.«
    Katharinas Stimme klang gepresst, atemlos, als wäre sie mehrmals die Treppen hoch und runter gelaufen. Oder als hätte sie Angst. »Was ist passiert?«, erkundigte sich Marilene.
    »Franziska Eising ist verschwunden.«
    Marilene beugte sich vor, klemmte den Hörer zwischen Kinn und Schulter und zog Block und Stift heran. »Alles und von vorn«, befahl sie.
    Je länger sie zuhörte, desto größer ihre Unruhe. Ihre Einwände, die das Gehörte zu leugnen suchten, liefen parallel zur stichpunktartigen Niederschrift: Das ist ein Dorf, na gut, eine aufstrebende Gemeinde, aber doch keine Großstadt, sagte sie sich, so etwas passierte dort einfach nicht. Aber zwei verschwundene Mitarbeiterinnen waren eine zu viel für einen Zufall. Und was war mit Marie, war Marie in Gefahr? Undenkbar, nicht auch noch Marie. Und sie hatte ihr die Stelle in der Buchhandlung vermittelt, sie musste sie von dort wegholen, es ging einfach nicht anders, oh, aber sie würde sich weigern, ganz gewiss. Sie nahm gar nicht wahr, dass Niklas

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