Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
Vom Netzwerk:
jemand seine Neugier zu verbergen suchte. Sie nahm an, dass die Anonymität hier der in städtischen Wohnsilos in nichts nachstand.
    Sie stellte sich vor, hier zu wohnen, nach einem Arbeitstag im Gewimmel Wiesbadens hierher zurückzukehren. Vielleicht, wenn sie nicht allein lebte, sich gar entschlösse, auf das angebliche Ticken ihrer biologischen Uhr zu hören, wie Pauls nicht eben dezente Andeutungen in letzter Zeit nahelegten. Sie besaß keine Uhr, jedenfalls keine biologische.
    Das Gezeter in den Medien, das den jungen Frauen die demografische Misere anlastete, grenzte in ihren Augen an Unverschämtheit. Es waren Männer, die da den Zeigefinger erhoben, weil sie um die familiäre Pflegekraft im Alter fürchteten. Oder Mütter, deren berufliche Nichtexistenz endlich legitimiert wurde. Legitimiert, nicht bezahlt, klar. Oder Mütter mit einem »von« im Namen, die mühelos alles unter einen Hut bringen konnten. Nicht mit mir, dachte sie, außerdem sollte kein Kind eine wie sie zur Mutter haben, das wäre nicht fair.
    Sie drückte ein drittes Mal auf die Klingel von S. Petersen, obwohl sie nun wirklich lange genug gewartet hatte, sich lieber auf den Rückweg machen sollte, falls sie die Farbe des Himmels richtig deutete. Ohnehin hätte sie die Befragung, wenn es nach Hartmann gegangen wäre, genauso gut telefonisch erledigen können, aber Gentners vorgeblichem Alibi wollte sie doch lieber in die Augen schauen. Daraus wurde nichts. Sie wandte sich zum Gehen, kramte schon nach ihren Wagenschlüsseln, als ihr ein Mann entgegenkam, der ihr Unbehagen, hier zu leben, offensichtlich nicht teilte, denn er strahlte über das ganze Gesicht.
    »Sie wollen bestimmt zu mir«, sagte er und versperrte ihr mit einer ausladenden Geste den Weg.
    Er muss ein Blind Date verabredet haben, dachte Patrizia. »Nur, wenn Ihr Name Petersen ist«, entgegnete sie.
    »Mein Glückstag.« Sein Strahlen wurde noch um einige Watt intensiver, grub Kerben, wo eben nur Lachfältchen gewesen waren, und zauberte ein Glimmen in seine tiefbraunen Augen. »Gehen wir hinein?«
    Die Frage war rhetorisch, denn er ging mit langen Schritten einfach an ihr vorbei, zog einen Schlüsselbund aus seiner Manteltasche und öffnete die Haustür.
    Patrizia verdrehte die Augen und folgte ihm. »Ich weiß ja nicht, für wen Sie mich halten«, sagte sie, als er sie an sich vorbei in seine Wohnung im ersten Stock treten ließ, »aber mein Name ist Heyder, und ich bin von der Kriminalpolizei.« Sie wandte sich nach ihm um und musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht schauen zu können. Er war älter, als sie angenommen hatte, Mitte vierzig mindestens, seine Schlaksigkeit täuschte Jugend vor, und sein anziehendes, offenes Grinsen lenkte den Blick weg von den grauen Strähnen in seinem schwarzen Haar.
    Seine Miene veränderte sich nicht. »Das macht doch nichts, ich selbst bin Finanzbeamter, auch so ein Beruf, den man besser verschweigt.« Er wand sich aus seinem Mantel und hängte ihn an die Garderobe. »Legen Sie ab«, forderte er sie auf.
    »Danke, nein, es wird nicht lange dauern«, erklärte Patrizia und bemerkte erst jetzt, ohne den kaschierenden Mantel, wie hager er war. Das grenzte an Magersucht, fand sie und kam sich plump vor, wie die Inkarnation des Michelin-Männchens. »Ich bin beruflich hier«, fügte sie angesichts seines verständnislosen Ausdrucks hinzu.
    Seine Augenbrauen schossen in die Höhe und wirkten wie verrutschte Fragezeichen. »Bei mir? Also wenn Sie Auskünfte über anhängige Verfahren brauchen, müssen Sie schon den Dienstweg einhalten. Dienstzeiten wären auch nicht schlecht.« Das beständige Grinsen milderte die Maßregelung.
    »Ich möchte eigentlich nur wissen, was Sie am Freitagabend gemacht haben. So zwischen neunzehn und einundzwanzig Uhr.«
    »Am Freitag«, er zupfte sich am linken Ohrläppchen, eine Geste, die nicht so recht zu einem Mann seines Alters passte, »ach ja, da habe ich mit einem alten Freund Schach gespielt, warum?«
    »Mit Martin Gentner?«
    »Ja, genau.«
    »Spielen Sie regelmäßig freitags? Stört Ihre Frau das nicht? Wochenende und so?«
    »Ich lebe allein. Martin und ich versuchen zwar, einmal die Woche zu spielen, aber das klappt nicht immer. Er ist beruflich oft auswärts. Deswegen gelegentlich ein Freitag. Wollen Sie mir nicht sagen, worum es eigentlich geht?«
    »Eine junge Frau ist verschwunden, und wir versuchen herauszufinden, was passiert ist.«
    »Und wer braucht nun ein Alibi, Martin oder

Weitere Kostenlose Bücher