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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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das entbehrt jeder Grundlage.«
    »Das kommt wohl ganz darauf an, in welcher Form diese Untreue praktiziert wird.«
    »Schon, aber wenn Sie Martin in diese Schublade stecken wollen, sind Sie auf dem Holzweg. Ich kenne niemanden, der so wenig zu Gewalt neigt wie er. Er hat nie auch nur die Hand gegen seine Frau oder seine Kinder erhoben, er hebt ja nicht einmal die Stimme.«
    »Soweit Sie wissen.«
    »Glauben Sie mir, ich weiß es.«
    »Und Macht?« Patrizia ließ nicht locker, obwohl sie das Gefühl hatte, dass dieses ganze Gespräch nirgendwohin führte. »Wie sieht es damit aus?«
    »Wissen Sie, Martin hat etwas, das Menschen dazu bringt, sich so zu verhalten, wie er es für richtig hält, und sie tun es aus Überzeugung, sie machen sich seine Ideen zu eigen. Mit Macht hat das nichts zu tun, es ist eher eine besondere Fähigkeit, die sich auch beruflich gut einsetzen lässt. Er ist ziemlich erfolgreich.«
    »Für mich hört sich das ziemlich manipulativ an«, warf Patrizia ein.
    »Aber das versuchen wir doch alle und jederzeit mit unseren Mitmenschen, sie zu manipulieren, oder wollen Sie allen Ernstes behaupten, Sie hätten noch nie einen Augenaufschlag bewusst eingesetzt?«
    »Macht Gentner das auch so, mittels Augenaufschlag?«
    »Warum nicht, wenn es funktioniert?«
    Petersen gewann zusehends seine gute Laune zurück, während Patrizia das Gefühl nicht loswurde, dass mit ihr genau das geschah, worüber sie sprachen: Sie wurde manipuliert. Aber mit welchem Ziel? Sie hatte lediglich ein Alibi überprüfen wollen, eine Sache von kaum drei Minuten, und hier war sie und hatte sich in ein merkwürdiges Gespräch verwickeln lassen, dessen Sinn sich ihr nicht erschloss. Ihr Blick fiel nach draußen, und sie erschrak. Es hatte zu schneien begonnen.
    »Sie sollten hierbleiben«, sagte Petersen, »über den Berg kommen Sie nicht mehr. Da stehen schon jetzt Dutzende Fahrzeuge mit Sommerreifen quer.«
    Ich bin schon längst drüber, dachte sie mit flüchtiger Genugtuung und verwarf die Vorstellung sogleich. Jetzt fing sie auch noch an – ihr Bedarf an Philosophie war für den Tag gedeckt. »Das macht nichts«, sagte sie, »ich habe hier sowieso noch etwas zu erledigen.« Sie bedachte ihn mit einem gekonnten Augenaufschlag.
    »Nicht schlecht«, sagte er und brach lauthals in Gelächter aus.
    Sie hätte auf ihn hören sollen, wenn auch nicht den Vorschlag annehmen, erkannte sie zehn Minuten später, als sie inmitten gestrandeter Fahrzeuge endgültig zum Stehen kam. Dabei war dies noch nicht einmal der eigentliche Berg. Direkt vor ihr blockierte ein Lkw den Bahnübergang, und davor verbarg eine einzige dampfende Abgaswolke die Verursacher des Chaos. Unglaublich, was ein paar Schneeflocken anrichten konnten. Und es war kein Ende abzusehen, denn ein Streufahrzeug würde hier niemals durchkommen, die Straße war schlicht zu schmal.
    Sie schaltete den Motor aus, aber es wurde ihr schnell zu kalt, lieber die Luft verpesten als erfrieren. Ihr knurrender Magen gemahnte sie, dass sie seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatte, aber ihre hektische Suche in sämtlichen Taschen und im Handschuhfach förderte nichts als einen alten Kaugummi zutage, und Durst hatte sie auch.
    »Scheiß Landleben!«, fluchte sie und schlug wütend aufs Lenkrad. Allerdings – und das versöhnte sie teilweise mit ihrer Lage – irrte Hartmann, wenn er Gentner nur der Form halber als verdächtig betrachtete, und wäre sie seinem Vorschlag gefolgt, das Alibi telefonisch abzuklären, hätte sie das nie bemerkt.
    ***
    Katharina Martens saß am Küchentisch, vor sich die Bestandslisten und Programmvorschauen eines Verlages, dessen Vertreter für morgen einen Termin vereinbart hatte, aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Bereits zum dritten Mal überprüfte sie, für welche Titel Neuauflagen erscheinen würden, etwas, das sie sich sonst beim ersten Durchgang merken konnte, und auch die Entscheidung, welche Mengen eines Titels sie benötigen würde, überforderte sie heute. Die Listen verschwammen zu Hieroglyphen ohne jeden Sinn, und sie schob seufzend die Unterlagen zusammen.
    Ihr Blick wanderte nach draußen. Schnee. Die Einfahrt war bereits nicht mehr erkennbar. Sie stemmte sich mühsam, als hätte sie die Plackerei bereits hinter sich, vom Tisch hoch und erwog kurz, Michael von seiner Korrektur wegzurufen, unterließ es dann doch, er musste heute fertig werden, die Schüler meckerten schon seit zwei Wochen. So schnappte sie sich ihre olle Jacke und die

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