Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
Vom Netzwerk:
bei seinen halsbrecherischen Verrenkungen, nein, Moment, wie ein Breakdancer. Die Bedeutung des Wortes erschloss sich ihm soeben. Er kniete sich hin und stützte sich mit den Händen ab, um sich aufrichten zu können. Es klappte nicht.
    »Idioten«, schimpfte er und zog eine Anzeige in Betracht, denn das Verteilen von Blumenerde in homöopathischer Dosierung hatte mit Streupflicht nicht das Geringste zu tun, hätte seinen Sturz auch nicht verhindert, wenn er aufmerksamer gewesen wäre. Was er nicht war, seit er Patrizias Wagen entdeckt hatte. Was tat sie in Niedernhausen? Und wieso sagte ihm mal wieder keiner was?
    Er gab auf und rutschte auf Knien vorwärts, hoffend, dass niemand ihn sah. Buße, dachte er, und so passend im Angesicht der Kirche gegenüber, aber wofür? Endlich erreichte er das nächste Grundstück, wo kiloweise Salz einen aufrechten Gang ermöglichte. Er klopfte sich missmutig Knie und Hintern ab, bevor er seinen Weg fortsetzte.
    Auf dem Gehweg vor der Buchhandlung knirschte zentnerweise Streusplitt unter seinen Füßen, und er fragte sich, inwieweit der unterschiedliche Umgang mit den Unbilden des Winters Schlüsse über die Persönlichkeit der jeweiligen Hausbewohner zuließ. Vielleicht sogar über die Zuverlässigkeit ihrer Aussagen? Man sollte eine Statistik erheben, erwog er.
    Er betrat den Laden. Die Inhaberin, wie er anhand ihres Namensschildes erkannte, telefonierte gerade und nickte ihm nur kurz zu, ansonsten war niemand in Sicht. Er schlenderte umher, verwundert über die Größe des Geschäfts, die man von außen nicht vermutet hätte. Nicht schlecht, was das Angebot betraf, jedenfalls soweit er das beurteilen konnte. Trotzdem fragte er sich, wie sie sich halten konnten, die Kleinen, bei der Konkurrenz, die allein über Verkaufsfläche Stärke suggerierte, das Internet nicht zu vergessen.
    Er ging in den letzten Raum, in dem sich die Taschenbücher befanden, und musste über das blutige Messer grinsen, das auf die Krimis hinwies. Das war seine Sache nicht, in seiner Freizeit verzichtete er lieber auf Mord und Totschlag. Gegenüber, ganz unten, fiel sein Blick auf ein Schild mit der Aufschrift »Lyrik«. Früher hatte er Gedichte einmal sehr gemocht, erinnerte er sich und bückte sich nach einer Anthologie deutscher Gedichte.
    »Wie schön, dass mal wieder jemand nach einem Gedichtband greift. Sagen Sie nur nicht, dass ich Sie als Spätfolge von Elke Heidenreichs Sendung verbuchen muss.«
    Zinkel wandte sich um. »Wieso?«
    »Na, sie hat es seinerzeit geschafft, viele Menschen dazu zu bringen, mal wieder Gedichte zu lesen. Mir ist das nicht oft gelungen, mir fehlt der pädagogische Impetus. Ich mag das nicht: zu viel Zeigefinger, zu viel moralische Empörung, ein bisschen wie bei ›Herrchen gesucht‹, ›dieses wunderschöne Buch wurde von seinem Besitzer ausgesetzt‹.« Sie verdrehte die Augen. »Darf man natürlich nicht laut sagen.«
    »Bei mir ist das eigener Antrieb, kein eingeredetes schlechtes Gewissen, zu wenig zu lesen«, wehrte Zinkel ab. »Spuren der Vergangenheit oder so was Ähnliches.«
    »Fein, dann kommen Sie auf meine Strichliste. Darf es vielleicht noch ein bisschen Rilke sein. Heine ist auch schwer aktuell dieses Jahr.«
    Zinkel lachte. »Ich komme darauf zurück, sobald ich weiß, wovon ich mehr will«, versprach er. »Für den Wiedereinstieg reicht dies erst einmal aus.« Er kramte nach seiner Brieftasche und legte seine  EC -Karte auf den Tresen.
    Sie nahm die Karte, zog sie durch den Apparat und reichte sie ihm zurück, nicht, ohne einen Blick darauf zu werfen. »Ach, Sie sind das«, entfuhr es ihr. Dass sie ihn von Marilenes Erzählungen über den Manuskript-Klau-Fall her kannte, konnte sie sich gerade noch verkneifen.
    Zinkel bemerkte verwundert, dass sie errötete, und konnte sich keinen Reim darauf machen. »Wurde ich angekündigt? Meine Kollegen wussten doch gar nicht, dass ich hierherkomme.«
    »Nein, die sind auch alle weg, allerdings erst, nachdem sie für eine abendliche Putzorgie meinerseits gesorgt haben.«
    »Tja, ähm, tut mir leid –«
    »Schon gut«, unterbrach sie ihn. »Ich hatte nicht angenommen, dass Sie die Putzkolonne sind, und ich nehme auch nicht an, dass Sie hier sind, um mir zu sagen, dass ich mir keine Sorgen mehr machen muss, oder doch?«
    Ihr Ausdruck nahm etwas Flehendes an, dem er aus einem unerfindlichen Grund gern entsprochen hätte, aber er fürchtete eher, ihre Sorgen würden noch beträchtlich zunehmen. Er schüttelte den

Weitere Kostenlose Bücher