Spur nach Ostfriesland
war heute in der Buchhandlung, weil ich dachte, ich erwisch euch noch. Nach der Aussage des Taxifahrers war ich ja selbst davon überzeugt, dass wir eine Spur haben. Jedenfalls habe ich beide Martens’ kennengelernt.« Er zögerte, schien nach Worten zu suchen.
»Auf mich wirkten sie, ich weiß nicht genau, wie ein eingespieltes Team, eine Einheit fast, und keineswegs lieblos. Sie nehmen sich gegenseitig hoch, sie geben einander genau die richtigen Stichworte. Ich kann da keine Abhängigkeit sehen und auch keine Weibergeschichten seinerseits, schon gar nicht mit jungen, eher unbedarften Dingern, äh, Frauen. Wenn ich so an die Praktikantin denke, das ist nicht sein Kaliber. Ist natürlich nur ein Eindruck, ein flüchtiger noch dazu. Das Einzige, was mir, wie soll ich sagen, seltsam vorgekommen ist, ist das Gefühl, dass das Gespräch, na ja, ein bisschen einstudiert wirkte, wie eine Inszenierung. Aber ich spinn da wahrscheinlich was zusammen. Ich nehme an, wenn man so lange verheiratet ist, dann ist keine Unterhaltung mehr wirklich neu.«
»Okay, okay.« Hartmann verstand. »Wir warten die KTU ab. Trotzdem solltest du, Patrizia, ruhig schon mal herausfinden, wie oft es den Fahrzeugtyp gibt. Sind sicher nicht viele – dieses komische Lindgrün ist hässlich. Ich rede mit Marie. Wenn Martens eine Neigung für junge Mädchen hat, wird sie das gemerkt haben. Ich sage nicht, dass er draußen ist, wohlgemerkt, aber er ist nicht unser einziger Verdächtiger.«
»Stimmt«, ergriff Patrizia das Wort, »und Inszenierung ist das Stichwort des Tages.«
Paul stöhnte. »Sind wir noch nicht fertig?«
»Noch lange nicht.« Sie grinste. Sie musste im Wagen ausreichend Schlaf bekommen haben. »Du oder ich?«, wandte sie sich an Hartmann.
»Mach ruhig, ich ergänz dann.«
»Martin Gentner, Unternehmensberater, Anfang fünfzig. Die Inszenierung in Person. Ein schmieriger, sexistischer, arroganter Typ, dementsprechend mit einer grauen Maus, die kein Wort von sich gibt, sobald er dabei ist, verheiratet und Vater von drei fast erwachsenen Kindern. Wir wissen, dass er Franziska angebaggert hat, als er sich mit ihr allein wähnte, angeblich um ihre Reaktionskompetenz zu testen, was schon mal absolut unglaubwürdig ist, weil der sich ganz ernsthaft für ein Gottesgeschenk an die weibliche Hälfte der Bevölkerung hält. Anfangs tat er sehr entsetzt, dass Franziska ermordet worden sei, wovon gar nicht die Rede war, wohlgemerkt. Darauf folgte Entrüstung, wie wir aufgrund einer Lappalie seine Frau beunruhigen, seine Ehe gefährden und überhaupt so miserabel arbeiten würden. Es gebe ja harmlose Gründe für das Verschwinden einer jungen Frau, oder eben einen Haufen Triebtäter in ihrer Umgebung, wobei er sich da nicht mit einbezogen hat. Und erst dann ist er damit raus, dass er ja ein Alibi hat, die ganze Diskussion also überflüssig war.«
»Es kann nicht sein, dass der Typ dir so gegen den Strich gegangen ist, dass du ein wenig zu viel hineininterpretierst?«, fragte Paul.
Nein, dachte Hartmann, diese Lücke werde ich nicht füllen.
»Natürlich ist er das«, entgegnete Patrizia zu seiner Überraschung. »Er hat mir ein Einzelseminar angeboten.« Ihre Hand fuhr unwillkürlich an ihre vernarbte Wange. »Hält mich wohl für die prädestinierte Kandidatin, der mehr Souveränität nur guttun kann. Er hat einen Hund, den er Pawlow genannt hat. Das Riesenvieh ist darauf abgerichtet, Frauen umzuwerfen, und zwar buchstäblich!«
Paul lachte lauthals.
»Kein Witz.« Hartmann hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken, das Bild war schon komisch gewesen. »Seine Frau verlässt deswegen kaum das Haus.«
Paul glaubte ihm sichtlich nicht.
»Der ist nicht sauber.« Patrizia sprach eindringlich. »Erst will er uns glauben machen, dass Franziska tot ist, dann mit ebenso viel Überzeugungskraft, dass ihr Verschwinden harmlos ist oder jedenfalls nichts mit ihm zu tun hat. Und dann erst das Alibi. Der hat uns ganz bewusst auf jede Fährte gelockt, die nur denkbar war.«
Hartmann nickte bekräftigend.
»Aber ich denke, er hat ein Alibi?«
»Er hat eins genannt, ja.« Sie sprach gedehnt. »Sönke Petersen. Noch so ein schräger Vogel. Finanzbeamter, Mitte vierzig etwa, alleinstehend, aber schwer auf der Suche. Gibt den jugendlichen Strahlemann, unbekümmert und ach so aufrichtig. Eine echte Männerfreundschaft verbindet ihn seit Jahren mit Gentner. Tatsächlich empfindet er seinen Freund mehr als Guru. Die machen Selbstfindungstrips,
Weitere Kostenlose Bücher