Spuren des Todes (German Edition)
einen Schlag abbekommen hatte. Und nicht nur dort, denn frische Unterblutungen fanden sich ebenso am Hinterkopf, im Scheitelbereich, über dem linken Ohr und auf der linken Gesichtshälfte. Kopfhaut, Schädel- und Gesichtsknochen waren dagegen nicht verletzt – was die These stützte, dass es sich um stumpfe Gewalt in Form von Faustschlägen gehandelt haben könnte.
Um zum Gehirn vorzudringen, sägt man anschließend das Schädeldach auf. Danach wird das Gehirn komplett entnommen und entsprechend präpariert, etwa um festzustellen, ob es Blutungen oder Quetschungen aufweist, was hier nicht der Fall zu sein schien. Das Gehirn war lediglich etwas geschwollen.
Als Nächstes wurden die vordere Brust- und Bauchwand untersucht, dann die Brust- und die Bauchhöhle eröffnet, um die Brust- und Bauchorgane zu untersuchen. Anschließend die Gesichts- und Halsweichteile. Zuletzt waren Arme, Beine und Rücken dran.
Das Ergebnis der Obduktion fiel unbefriedigend aus. Es blieben zu viele Fragezeichen. Die Todesursache konnte nicht sicher geklärt werden.
Die Frau war am gesamten Körper massiv mit stumpfer Gewalt malträtiert worden, daran bestand kein Zweifel. Die Fettgewebsunterblutungen an der Vorderseite beider Schultern schienen zudem ein Beweis dafür, dass der Täter sich auf ihren Oberkörper gekniet hatte. Doch so brutal er ihr auch ins Gesicht und auf den Kopf geschlagen haben mochte – vermutlich aus dieser Position heraus –, die Verletzungen, die er ihr dabei zufügte, hatten ihr Gesicht entstellt, aber nicht zu ihrem Tod geführt. So viel stand fest.
Aber was war es dann?
Vier Möglichkeiten kamen in Betracht. Die Perthes’sche Druckstauung war eine davon. Dieses Phänomen tritt auf, wenn man verschüttet wird, mit dem Rumpf unter eine Betonplatte oder einen schweren Baumstamm gerät. Durch die massive Kompression des Brustkorbs wird dessen Atmungsfunktion dermaßen eingeschränkt, dass man praktisch erstickt, obwohl die Atemwege völlig frei sind. Der Täter könnte nicht nur die Schultern der Frau bekniet haben, sondern auch ihren Brustkorb. Angesichts der vorgefundenen Verletzungsspuren war das durchaus denkbar. Allerdings hätte es dann starke Stauungsblutungen in der Gesichtshaut, den Augenbinde- und Mundschleimhäuten geben müssen – die aber fehlten.
Auch eine Fettembolie war als Todesursache vorstellbar. Durch den offenen Bruch des linken Oberarms konnte es zur Ausschwemmung von Fettmark gekommen sein, das zur Verstopfung der kleinen Lungenschlagadern hätte führen können – mit anschließendem Herzversagen. Dagegen sprach zwar, dass in einem solchen Fall zwischen Knochenbruch und Todeseintritt normalerweise mehrere Stunden liegen, aber vielleicht hatten andere Faktoren die Fettembolie begünstigt. Um das abzuklären, musste man Gewebeausschnitte der Lunge asservieren, um sie später feingeweblich untersuchen zu können.
Auch die Frage, ob die Frau möglicherweise vergiftet wurde, war erst durch toxikologische Untersuchungen zu beantworten. Der Staatsanwalt gab beides noch am selben Tag in Auftrag.
Am wahrscheinlichsten jedoch schien, dass sie erstickt wurde. Entweder indem ihr der Täter mit der Hand Mund und Nase zugehalten hatte, bis sie tot war. Die Verletzungen am Mund und am Kinn passten dazu. Oder er hatte ihr ein Kissen aufs Gesicht gedrückt. Vielleicht hatte er es erst mit der Hand versucht, dabei die Verletzungen verursacht, dann aber doch ein Kissen genommen, weil ihm das sicherer schien – oder weil es einfacher war.
Zwar fanden sich auch am Hals frische Hautunterblutungen, die einen auf den Gedanken bringen konnten, dass er sie möglicherweise erwürgt hatte. Doch dafür waren sie nicht massiv genug. Vermutlich hatte er sie am Hals gepackt, aber nur kurzzeitig und ohne seine ganze Kraft einzusetzen. Andernfalls hätte man auch Stauungsblutungen in den Augenbindehäuten und in der Gesichtshaut finden müssen.
Da die Sektionsbefunde recht unspezifisch ausfielen – Überblähung der Lungen, fleckförmige Blutungen der Lungen- und Herzüberzüge, eine geringe Hirnschwellung –, kam vor allem die Version mit dem Kissen gut in Betracht.
Nach jeder Obduktion behält man Asservate zurück, die mindestens sechs Monate im Institut aufbewahrt werden, um bei Bedarf weitere Untersuchungen durchführen zu können. In dem Fall waren es Gewebeausschnitte aus inneren Organen wie Herz, Lunge, Nieren, Bauchspeicheldrüse und aus Hautunterblutungen von verschiedenen Körperstellen,
Weitere Kostenlose Bücher