Spuren des Todes (German Edition)
die baldmöglichst feingeweblich untersucht werden sollten. Außerdem Blut- und Urinproben zur Bestimmung der Alkoholkonzentration und Kopfhaare, Lebergewebe, Herzblut und Mageninhalt für chemisch-toxikologische Untersuchungen. Mit den Abstrichen, die Jan am Tatort aus After, Vagina und Mund genommen hatte, wurde ebenso verfahren.
Der junge Mann, der als dringend tatverdächtig galt, ging der Polizei bereits am nächsten Tag ins Netz. Er hatte sich irgendwie nach Hamburg durchgeschlagen, war dort am Hauptbahnhof herumgestrolcht, offenbar auf der Suche nach einem Bekannten, bei dem er Unterschlupf finden konnte. Doch bevor er jemanden fand, der ihn mitnahm, griff ihn die Polizei auf. In der Vernehmung bestritt er die Tat und behauptete, seine Freundin sei bereits tot gewesen, als er nach Hause kam. Seine Flucht erklärte er damit, dass er unter Schock gestanden und nicht mehr gewusst habe, was er tat. Außerdem würde die Polizei einem Knacki wie ihm sowieso kein Wort glauben. Mit dieser Vermutung lag er nicht so falsch. Seine Vorstrafen ließen ihn nicht gerade vertrauenswürdig erscheinen. Was aber noch mehr gegen seine Glaubwürdigkeit sprach, waren die Beobachtungen des Nachbarn, der den Streit zwischen ihm und seiner Freundin gehört und kurz darauf gesehen hatte, wie er weglief. Das genügte auch dem Haftrichter, der ihn ins Untersuchungsgefängnis schickte.
Während er dort schmorte, liefen die Ermittlungen weiter. Auch die Arbeit der Rechtsmediziner war damit nicht abgeschlossen. Die Kollegen der Serologie am Institut nahmen sich DNA -Spuren vom Tatort vor, um sie mit genetischem Material vom Opfer und vom Tatverdächtigen abzugleichen. Sie konnten unter einigen Fingernagelüberständen, die von der Leiche asserviert wurden, Fremd- DNA nachweisen, die von dem jungen Mann stammte. Das Gleiche gelang ihnen am Bademantelgürtel. Doch das bewies noch gar nichts, da beide zusammen in dem Haus gelebt hatten, als Paar.
Anders verhielt es sich mit dem Blut, das nach der Verhaftung des Tatverdächtigen auf dem Nagelbett seines linken Ringfingers sichergestellt wurde. Obwohl es nur eine winzige Blutantragung war, sozusagen ein Hauch von einer Blutantragung – wahrscheinlich hatte er alles andere abgewaschen –, konnte das Blut der Frau zugeordnet werden. Mit diesem Ergebnis ließ sich schon eher etwas anfangen.
Man versuchte auch noch, die Klebefolien, die die Beamten auf Hals und Kinn des Opfers geklebt hatten, auf mögliche DNA -Spuren zu untersuchen, jedoch ohne brauchbare Ergebnisse. An einigen Abschnitten wurden zwar DNA -Merkmale der Frau nachgewiesen, an anderen jedoch gar keine. Und auf keinem einzigen gab es einen Hinweis auf DNA des Tatverdächtigen. Klebefolien, die üblicherweise für die Sicherung von Faserspuren verwendet werden, waren aber auch das denkbar schlechteste Medium für diesen Zweck. Um auf Würgemalen DNA -Spuren desjenigen zu sichern, der gewürgt hat, verwendet man besser einen Wattetupfer, mit dem man über den betroffenen Hautbereich streicht. Das vergrößert die Chance, genügend von den Epithelzellen, die der Täter hinterlassen hat, zu erwischen – und zwar in komplexer Form, gesammelt auf kleinstem Raum. Mit Klebefolien funktioniert das viel schlechter bis gar nicht, weil die Epithelzellen dabei nicht gebündelt, sondern einzeln aufgenommen werden und in dieser Form häufig nicht genug Material für einen DNA -Nachweis hergeben.
Bei einem Tötungsdelikt gilt es immer auch, sich ein Bild darüber zu verschaffen, inwieweit der Täter zur Tatzeit Herr seiner Sinne war. Ein Thema dabei: Drogen und Alkohol. Das eine wie das andere, und natürlich beides in Kombination, kann die Steuerungsfähigkeit eines Menschen erheblich beeinträchtigen. Das entschuldigt die Tat nicht, wirkt sich bei der Strafzumessung jedoch häufig strafmildernd aus. Den meisten Tätern ist das bekannt, und für nicht wenige dürfte es verlockend sein, sich ein paar Jahre Gefängnis zu ersparen. Schon deshalb müssen Staatsanwaltschaft und Polizei darauf drängen, Informationen über die Verfassung des Täters zum fraglichen Zeitpunkt zu bekommen, auf die sie sich verlassen können, die bestenfalls belegbar sind.
Dem jungen Mann wurde unmittelbar nach seiner Festnahme eine Urinprobe abverlangt, außerdem bekam er Blut abgenommen. Die chemisch-toxikologische Untersuchung wurde bei uns im Institut durchgeführt. Es ging darum festzustellen, ob er bei der Tatausführung womöglich unter
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