Spuren im Nichts
Schleusenluken. Schießt, sobald ihr sie seht. Was glaubst du, was die Menschen über die Aufzeichnungen sagen werden, die zeigen, wie du das Mikroschiff angreifst und gegen die Wand schleuderst?«
»Markis, ist das wirklich alles im visuellen Log festgehalten?«
»Ja, ich fürchte ja, Kile.«
»Mein Gott! Aber … diese Bastarde sind Killer!«
»Nur, weil wir sie gegen ihren Willen entführt haben«, widersprach Yoshi. »Sie haben sozusagen in Notwehr gehandelt und hatten jedes Recht dazu. Die Medien werden es genauso sehen. Ich will hier niemandem die Schuld geben, aber wir müssen sehr genau über das nachdenken, was wir zu Hause erzählen werden. Unser Ruf, unsere Karrieren, einfach alles steht auf dem Spiel. Selbst in den Geschichtsbüchern werden wir als Trottel der allerersten Güte dastehen. Man wird noch in hundert Jahren über uns lachen.«
Sie saßen im Missionskontrollraum. Emilys Leichnam war geborgen worden und lag auf ihrer Koje. Das Schiff der Außerirdischen war auf allen Schirmen zu sehen. Es wurde von der künstlichen Gravitation am Boden des Frachtraums festgehalten. »Wir können dieses Ding doch nicht einfach wegwerfen!« Tripley flehte beinahe.
Niemand antwortete.
29
Der Mensch edler Gesinnung muss sich mehr um die Wahrheit kümmern als um das, was andere von ihm denken.
- ARISTOTELES, 340 v. A.Z.
Kim wiederholte die Sequenz mit den Geschehnissen im Frachtraum. Sie hielt das Bild im Augenblick des Auftreffens an, als der Zwillingsblitz Emily traf. Sie vergrößerte den Ausschnitt mit dem Helm ihrer Schwester. Hinter dem spiegelnden Glas sah sie Emilys Gesicht, das mehr Überraschung als Angst verriet.
Emily war schnell gestorben, und das war ein schwacher Trost. Doch nach dem Angriff hatte es ein paar Sekunden gegeben, als die Lichter ausgegangen waren, in denen Kim fast Emilys Gedanken lesen konnte. Ich hatte es in meinen Händen, ein Schiff, das von einer anderen Zivilisation gebaut wurde, und jetzt werde ich niemals erfahren, wer sie sind …
Ihre Kameraden verfielen mehr und mehr in eine Haltung von klassischem Fatalismus. Sie würden die Schildkröte mit nach Greenway nehmen und alles über ihre Erbauer herausfinden, was herauszufinden war. Doch zuerst mussten sie dafür sorgen, dass das Vehikel keine Schäden mehr anrichten konnte.
Sie fanden heraus, dass die Waffe, die es gegen Emily eingesetzt hatte, die Gabel am Bug war. Sie benutzten eine Stange, um die Gabel abzubrechen, dann verstauten sie das Schiff in einem Frachtcontainer.
Als Nächstes brach eine erhitzte Debatte aus, die zu der leidenschaftslosen, wenngleich zögerlich gefassten Entscheidung führte, dass der gesamte Zwischenfall verschleiert werden musste. »Bis eines Tages die Zeit gekommen ist, um zu enthüllen, was wir gefunden haben«, sagte Tripley. »Falls dieser Zeitpunkt jemals kommt.« Kane war entschieden dagegen, vielleicht weil ihm der Gedanke nicht gefiel, die Logbücher zu fälschen, aber auch und hauptsächlich, weil ihm diese Arbeit zufiel. Doch schließlich beugte er sich dem Argument, dass ihre Karrieren ruiniert und ihr Ruf bis ans Ende ihrer Tage zerstört sein würden, sollte die Wahrheit ans Tageslicht kommen. Man würde sich ihrer Dummheit erinnern, solange die Spezies überdauerte.
Also würden sie das Mikroschiff mit zurück nach Greenway nehmen und es dort selbst untersuchen. Und bis dahin, so hofften sie, würde einer von ihnen einen Ausweg aus dem furchtbaren Dilemma finden, in das sie sich hineinmanövriert hatten.
Ihre Strategie erforderte, dass sie Emily zurückließen, denn es gab keine Möglichkeit, ihren Tod zu erklären. Tripley entwickelte den Plan, mit einer falschen Emily nach Terminal City zurückzukehren, ein Hotelzimmer auf ihren Namen zu reservieren und ihre ID zu benutzen, um die Illusion zu erzeugen, dass sie in ein Taxi gestiegen war. Sollten sich die Behörden den Kopf zerbrechen, warum sie niemals an ihrem Ziel angekommen war.
Nachdem der Plan so weit gediehen war, bestand ihre letzte Handlung vor dem Aufbruch aus dem Orbit darin, Emilys Leichnam dem Weltraum zu übergeben.
All das war in den Logs zu sehen, als hätte Kane gewollt, dass es der Zukunft erhalten blieb … damit die Geschichte eines Tages ein Urteil fällen konnte?
Nach dem Begräbniszeremoniell endeten die Logs unvermittelt. Der Schirm wurde dunkel, und die Disk wurde ausgeworfen.
Kim saß in der Dämmerung und lauschte dem Rauschen der Brandung.
»Kim, ein Anruf von Canon
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