Spurlos in der Nacht
hergeschleppt», fragte sie mit verächtlicher Stimme. «Was glauben Sie wohl, was das für Blut ist?»
«Was ist das für Blut?», fragte er mit harter Stimme.
Sie warf den Kopf in den Nacken und hatte eigentlich Lust ihn noch etwas länger auf die Folter zu spannen. Sie lief über die Rodung und erreichte das gegenüberliegende Unterholz. Cato Isaksen folgte ihr. Hinter einem Haufen kürzlich abgeschnittener Zweige entdeckte er plötzlich etwas Weißes. «Was ist das?», fragte er.
Solvi Steen verzog das Gesicht. Cato Isaksen bückte sich und schob die Zweige beiseite. Er starrte auf einen Hühnerkadaver. «Ein totes Huhn», sagte er.
«Ja», sagte Solvi Steen beleidigt. «Was haben Sie denn erwartet?»
«Woher habt ihr das?»
«Keine Ahnung», sagte sie. «Dafür ist Nils zuständig.»
50
Obwohl er die Antwort schon kannte, wollte Cato Isaksen Nils Bergman mit dem Fund des toten Huhns konfrontieren. Solvi Steen schien sich köstlich zu amüsieren, als ihr aufging, was die Polizei gedacht hatte. Cato Isaksen fuhr sie nach Hause und steuerte dann die Innenstadt an. Nils Bergman war nicht zu Hause, und deshalb fuhr Cato Isaksen weiter zur Mautstation, wo er ihn auch tatsächlich in einer der kleinen Glasbuden fand. Der Ermittler ging um die Bude herum und klopfte an die Tür. Widerwillig öffnete Nils Bergman. Der Anblick des Polizisten war ihm sichtlich unangenehm. Er hoffte, dass Stein Ove sein Versprechen gehalten und nicht verraten hatte, dass Nils die zweite Glock für ihn aufbewahrt hatte.
Das Reden war nicht leicht. Immer wieder wurden sie von Autos unterbrochen, die ihren Obolus entrichten mussten.
«Ich war heute mit Solvi Steen im Wald», sagte Cato Isaksen als erstes. «Sie hat erzählt, dass ihr euch mit echtem Blut einschmiert, stimmt das?»
Nils Bergman gab einem Autofahrer fünfzig Kronen heraus und drückte auf den Knopf, der die Schranke öffnete. Dann wandte er sich wieder Cato Isaksen zu.
«Das ist Hühnerblut», sagte er kurz. «Das ist ja wohl nicht verboten.»
«Woher nehmen Sie die Hühner?»
«Von so einem komischen Knaben, der gleich hinter dem Sportplatz wohnt.»
«Alexander Stenberg?»
«Ja, kann schon sein, dass er so heißt. Ich zahle ihm fünfzig Kronen pro Huhn.»
«Damit müssen Sie aufhören», sagte Cato Isaksen hart und dachte an das Geld, das Maiken erwähnt hatte und das in einer Dose in Alexanders Zimmer gefunden worden war. Nils Bergman seinerseits hatte diesen übereifrigen Polizisten, der immer wieder seine Kreise störte, deutlich satt. Er verkniff sich einen säuerlichen Kommentar und ließ einen großen LKW passieren.
Erst später, auf der Rückfahrt nach Oslo, ging Cato Isaksen auf, dass er Solvi Steen nicht gefragt hatte, woher sie von der SMS wusste, die zwei Tage zuvor bei Helena Bjerke eingetroffen war.
Einen Tag, ehe sie in Urlaub fahren wollten, erfuhr Cato Isaksen, dass die SMS-Meldung tatsächlich von Kathrines Telefon stammte und irgendwo in Ostfold abgeschickt worden war. Jetzt sollte festgestellt werden, wo genau Kathrine sich währenddessen aufgehalten hatte. Er rief Solvi Steen an und fragte, woher sie von der Mitteilung an Kathrines Mutter gewusst hatte. Solvi sagte, eine Nachbarin, die zusammen mit Helena Bjerke in der Wäscherei arbeitete, habe es Solvis Mutter erzählt, und von der wisse sie es eben auch. Mit dieser Erklärung gab Cato Isaksen sich zufrieden.
Er schaffte es nicht mehr, Brenda Moens Busenfreundinnen zu besuchen, ehe sie losfuhren. Die Tage waren ihm einfach davongelaufen. Er würde das nach seiner Rückkehr erledigen.
Bente und er hatten wieder dasselbe Ferienhaus an der Südküste gemietet wie schon im Vorjahr. Es lag nur einige Gehminuten vom Strand entfernt. Cato Isaksen konnte nur eine Woche bleiben, mehr Urlaub war im Moment nicht möglich. Bente erwartete danach noch den Besuch einer Freundin. Vetle und Georg waren auch dabei. Gard und seine Freundin würden sich ebenfalls für einige Tage einfinden. Cato Isaksen war erschöpft von der ergebnislosen Ermittlungsarbeit. Viel zu tun zu haben, war nicht das Schlimmste. Schlimmer war es, wenn nichts passierte, wenn die Ergebnisse ausblieben und man auf der Stelle trat.
An den ersten Tagen las er nur und sonnte sich. Er versuchte alles auszuschalten, was mit Ermittlungsarbeit zu tun hatte. Jetzt, wo er endlich ausspannen konnte, merkte er erst, wie müde er war und wie satt er alles hatte. Am dritten Abend tranken sie auf der Terrasse eine Flasche Wein, ehe
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