Spurlos in der Nacht
sie schlafen gingen. Die Tage vergingen so schnell. Nach einigen Gläsern merkte er, wie er sich entspannte.
«Findest du diesen Urlaub langweilig?», fragte er und sah Bente an, die in einem Korbsessel saß und aufs Meer hinausblickte.
«Ja», sagte sie gelassen. «Aber mit dir zusammen langweile ich mich gern. Das ist witziger, als sich mit anderen zu amüsieren.»
Er musterte sie, lächelte zaghaft. «Das war eigentlich sehr schön gesagt», meinte er.
«Manchmal frage ich mich, was du da eigentlich treibst.»
«Wirklich?»
«Ich bin nicht dumm», sagte sie und nippte am Wein.
Er wandte sich ab und schaute ebenfalls aufs Meer hinaus. Die letzten Sonnenstrahlen tanzten auf den Wellen, die gegen einen Felsen schlugen. «Ich treibe im Grunde gar nichts», sagte er.
«Mir kommt das anders vor», sagte sie.
Er seufzte. «Eigentlich habe ich es ziemlich satt, immer so ernst zu sein. Meine Arbeit ruiniert mir fast die ganze Laune.»
«Das verstehe ich nun wieder sehr gut», sagte sie. «Ich bin auch oft müde. Und meine Arbeit ist auch ziemlich deprimierend.»
«Das weiß ich», sagte er. «Du beschäftigst dich mit alten, kranken Menschen, und ich mich mit toten.»
Bente prustete los. Sie schlug die Hand vor den Mund, damit der Wein nicht herausströmte. Dann stellte sie das Glas energisch auf den Tisch.
«Pst», mahnte er. «Du weckst Georg. Und wir wollen doch wohl nicht, dass er wieder aufsteht, oder?»
«Nein», kicherte sie. «Das wollen wir nun wirklich nicht.»
Am siebten Tag fuhr Cato Isaksen nach Oslo zurück. Auf der Rückbank saß Georg, sommerbraun und fröhlich. Am Vortag hatte Roger Høibakk angerufen und mitgeteilt, dass Kathrines SMS über einen Mobilfunksender in der Nähe von Rakkestad gelaufen sei. Das war nicht weit von der schwedischen Grenze, es war also klar, dass Kathrine Bjerke sich dort in der Gegend aufgehalten hatte. Sie hatten die Lokalzeitung dort unten informiert, aber das hatte noch nichts gebracht. Als er bei Sigrid und Hamza klingelte, um den Jungen abzuliefern, war es schon nach sieben. Sigrid bot ihm ein alkoholfreies Bier an. Er nahm dankend an. Georg lief glücklich ins Kinderzimmer, das er mit seinem Schwesterchen teilte, und freute sich offensichtlich über das Wiedersehen mit seinem Spielzeug.
«Man könnte glauben, er sei einen Monat fort gewesen», lachte Sigrid. Sie war schön, mit ihren blonden Haaren, die ihr offen auf die Schultern hingen, und den kleinen Sommersprossen auf der Nase und den bloßen Armen. Georgs Schwesterchen war auch glücklich darüber, dass der große Bruder wieder zu Hause war. Sie war ein süßes kleines Mädchen. Die braunen Augen und die schwarzen Haare hatte sie von ihrem Vater.
Als Cato Isaksen danach losfuhr, war er ziemlich zufrieden. Diese Urlaubstage hatten ihn gestärkt. Und das konnte er auch brauchen, denn in seinem Haus in Asker erwartete ihn ein Schock. Als er gerade die Tür öffnen wollte, jagte ein roter Schatten wie ein Blitz in den dunklen Flur. Es war der Kater. Cato Isaksen traute seinen Augen nicht. Er spürte, wie sein Puls loshämmerte. Konnte das denn möglich sein? Der Kater lief in die Küche, als sei er niemals fort gewesen. Ungeduldig lief er an der Stelle hin und her, wo Futter- und Trinknapf immer gestanden hatten, und miaute energisch drauflos. Um den Hals trug er ein rotes Halsband mit einem Glöckchen.
Plötzlich hörte sie das Geräusch des Röntgenapparates. Das Klicken und das plötzliche scharfe Licht, wenn die Bilder gemacht wurden. Sie nahm die sanfte warme Luft des Krankenzimmers wahr. Sie merkte, dass ihr Knöchel wehtat. Sie träumte von dem Arzt, der sagte, dass alles wieder in Ordnung kommen werde. Er beugte sich über sie. Kathrine glaubte, in einer Ecke einen Schatten zu sehen. Aber es gab keinen Schatten, denn die Glühbirne hing bewegungslos unter der Decke und es gab nichts, was einen Schatten werfen könnte. Es gab nur schwarze Flecken, die sich auf ihrer Netzhaut bildeten. Sie wanderten über die grauen Mauern und den Boden.
Sie fuhr aus dem Schlaf hoch. Kein Arzt beugte sich über sie. Und das Geräusch, das sie gehört hatte, stammte nicht vom Röntgenapparat, sondern von der schweren Tür.
Die Stimme war plötzlich da, zerschnitt wie ein harter Draht den Raum. «Du übst schon das Sterben, wie ich sehe. So, wie du schläfst.»
Sie hatte ihn schon oft gefragt, wo sie war, aber die Antwort war immer anders ausgefallen. «Du bist auf Hvaler. Du bist in der Nähe von Baerum. Du
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