Spurlos in der Nacht
Isaksen hatte vorgehabt, wieder das ganze Team auf den Fall Moen anzusetzen, jetzt, wo es neue Verdachtsmomente gab. Die SMS, die eine Waffe, die sie nun hatten, und die Gerüchte über Solvi Steen und das Blut. Aber Ingeborg Myklebust meinte, sie könnten an beiden Fällen gleichzeitig arbeiten. Die beiden anderen Mordfälle, mit denen sie beschäftigt gewesen waren, waren aufgeklärt. Der eine Mord war von einem guten Freund des Opfers verübt worden, der andere von einem Bruder. So geschahen die meisten Morde, im Affekt durch Verwandte oder Freunde. Cato Isaksen erhob sich und verließ das Zimmer.
Er ging über den Gang zum Aufenthaltsraum und holte sich eine Tasse Kaffee. Plötzlich stand Ellen neben ihm und lächelte. Er riss sich zusammen. Sie war in sichtlich guter Stimmung. Sie lächelte und streckte die Hand nach einer Tasse aus. Im gleichen Moment hatte er die Tasse abgestellt und sie an sich gezogen. Ihr Gesicht ruhte an seinem Hals. Er spürte ihren warmen Atem an seiner Haut. Sie befreite sich vorsichtig und sah ihn mit ernster Miene an. Dann küsste sie ihn. Die Begegnung ihrer Lippen war behutsam und warm. Er hätte eine Ewigkeit so stehen bleiben können, doch dann kam eine der Frauen, die in der Kantine arbeiteten, mit einem Rollwagen vorbei, um schmutzige Tassen und Teller zu holen.
Sie fingen an zu reden. «Wir müssen noch einen weiteren Fall übernehmen», sagte er. «Myklebust meint, dass wir im Fall Moen ja doch zu keinem Ergebnis kommen.»
«Das weiß ich», sagte sie kurz. «Das schafft ihr ja auch nicht.»
Die Kantinenangestellte verließ den Raum. «Wie geht es dir denn eigentlich?», fragte er. «Sehr gut.» Sie lächelte.
Er erwiderte ihr Lächeln. «Ich habe Lust auf dich», sagte er. «Das weiß ich», sagte sie und bedachte ihn mit einem neckenden Blick.
49
Es war ein stiller, warmer Tag. Die Rasenflächen zwischen den Häusern waren braun versengt. Viele waren in Urlaub, einige aber saßen in ihren kleinen Gärten und sahen zu, als Cato Isaksen an Solvi Steens Haustür klingelte. Es dauerte einen Moment, bis geöffnet wurde. Als das Mädchen den Polizisten erkannte, sah sie nicht gerade erfreut aus.
Cato Isaksen grüßte kurz. «Du musst mit in den Wald kommen und mir zeigen, wo ihr euer Rollenspiel veranstaltet», sagte er, ehe sie ihn ins Haus bitten konnte.
Solvi Steen schaute ihn aus ihren übermäßig geschminkten Augen an. Sie schwieg.
«Sind deine Eltern zu Hause?»
«Nein. Die sind bei der Arbeit.»
«Dann ruf sie an und sag ihnen, dass ich hier bin und dass du mir zeigen sollst, wo ihr spielt.»
«Warum?»
«Warum was?»
«Warum soll ich meine Eltern anrufen?»
«Weil du erst fünfzehn bist.»
«Scheiße, nein», sagte sie wütend und nahm einen Schlüssel aus einem kleinen Schlüsselschrank. Sie knallte mit der Tür, schloss ab und steckte den Schlüssel in die Tasche. Dann ging sie mit festen Schritten an ihm vorbei.
Cato Isaksen folgte ihr nachdenklich. Ihre aufsässige Art ärgerte ihn. Sie zollte ihm wahrlich nicht sonderlich viel Respekt. «Ich muss in einem Mordfall ermitteln», sagte er.
«Sie ist nicht tot.» Solvi Steen drehte sich halbwegs um und sah ihn hasserfüllt an. «Sie schickt ihrer Mutter doch jede Menge Karten und SMSse.»
Cato Isaksen musterte sie neugierig. Woher wusste sie von der Nachricht, die Helena Bjerke zwei Tage zuvor erhalten hatte? «Ich rede von Brenda Moen», teilte er mit. «Kathrine Bjerkes Großmutter.»
Sie standen vor dem Auto. Plötzlich merkte er, wie heiß es war. In zwei Tagen würde er eine Woche Urlaub antreten.
Und jetzt hatte er das Gefühl, dass er den auch wirklich brauchte. Ein Junge auf einem Dreirad winkte ihnen zu und Cato Isaksen schloss fur Solvi Steen die Tür auf. Sie ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
«Na gut», sagte sie kess und schnallte sich an. «Dann zeig ich es Ihnen eben. Aber Sie brauchen das nicht unbedingt Nils zu erzählen. Wir wollen diese Orte ja eigentlich fur uns behalten.»
Cato Isaksen ließ den Wagen an und fuhr rückwärts vom Parkplatz. Sie schwiegen beide, als sie dann weiterfuhren. Als der Kreisverkehr hinter dem Einkaufszentrum hinter ihnen lag, erklärte ihm Solvi Steen, wie es weiterging. Sie hielten auf einem Parkplatz im Wald.
Etwa vierzig Meter dahinter erreichten sie einen Weg, der in den Wald führte. Solvi Steen ging voran. Cato Isaksen konnte ihren kleinen, geschmeidigen Hintern nicht übersehen. Sogar an diesem Tag, bei dieser Hitze, trug
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