Spurlos in der Nacht
diese Glotzerei in der Dusche.»
Cato Isaksen nickte und wanderte in sein Büro zurück.
27
Tage Wolter türmte die Fleischstücke mit geübtem Griff aufeinander. Dann packte er den Tierrumpf beiseite und ließ abermals das Sägeblatt in den Kadaver gleiten. Cato Isaksen und Randi Johansen sahen ihm zu. Es war ganz deutlich, dass er sein Handwerk beherrschte. «Dieser Schlachter», so hatte Kathrines andere Großmutter ihn genannt.
Tage Wolter machte ein überraschtes Gesicht, als er die beiden entdeckte. Er stellte die Säge ab und wischte sich die Hände an seiner Schürze sauber.
Cato Isaksen sagte, sie müssten mit ihm reden, aber Tage Wolter hob abwehrend die Hand und zeigte auf die Kundschaft.
«Tut mir Leid», sagte er auf Schwedisch.
«Können wir uns hier irgendwo ungestört unterhalten?» Cato Isaksen musterte ihn mit ernster Miene, und nun ging Tage Wolter offenbar auf, dass der Ermittler ihm möglicherweise etwas Wichtiges zu sagen hatte. «Ist etwas passiert?», fragte er.
«In gewisser Weise schon», sagte Cato Isaksen. Randi Johansen war ein wenig hinter ihnen zurück geblieben. Sie kaufte eine Packung Windeln und ein wenig zum Essen, während Cato Isaksen sich mit Tage Wolter unterhielt.
Dem Ladeneingang gegenüber lag ein kleines Cafe. Die beiden Männer ließen sich an einem Tisch in einer hinteren Ecke nieder.
Der Ermittler wusste nicht so recht, wie er sich ausdrücken sollte. Deshalb wiederholte er genau das, was Maiken Stenberg erzählt hatte. «Wir haben gehört, dass Sie Ihre Stieftochter unter der Dusche belauert haben.»
Tage Wolter blickte ihn verständnislos an. «Was sagen Sie da?» Rasch schüttelte er den Kopf. «Ich begreif das einfach nicht.»
«Haben Sie Kathrine unter der Dusche belauert?»
Tage Wolter war blass geworden. «Aber das ist doch der pure Wahnsinn», sagte er und fuhr sich verzweifelt mit der Hand über das Kinn. «Wer hat sich das denn aus den Fingern gesogen?»
Cato Isaksen erhob sich. «Ich hole uns einen Kaffee», sagte er kurz.
Als er zum Tisch zurückkam, nahm Tage Wolter den Kaffee, rührte ihn aber nicht an. Cato Isaksen trank kleine Schlucke aus der grünen Tasse. Tage Wolter war offenbar erschüttert von dieser Beschuldigung und bestand darauf, dass alles nur üble Nachrede sei. «Das macht mir Angst», sagte er. «Und Sie sind auf der falschen Spur. Wenn Sie so weitermachen, werden Sie nie herausfinden, was mit ihr passiert ist.» Er starrte dem Ermittler hart in die Augen.
Cato Isaksen ließ ihn reden.
«Ich nehme das hier sehr ernst», sagte Tage Wolter jetzt. «Und ich möchte Sie bitten, anderswo zu suchen.»
Cato Isaksen beendete das Gespräch mit dem Stiefvater. Was Tage Wolter vor allem Sorgen machte, war, dass seine Lebensgefährtin von diesen Gerüchten erfahren würde.
Randi hatte ihre Einkäufe beendet, und sie fuhren mit der Rolltreppe in den ersten Stock hoch. Helena Bjerke arbeitete jetzt wieder, wenn auch bis auf weiteres nur den halben Tag. Sie bediente gerade eine Kundin, als sie die beiden entdeckte. Und dieser Anblick jagte ihr sichtlich einen Schrecken ein. Cato Isaksen lächelte ihr behutsam zu, während sie sich wieder der Kundin zuwandte. Sie steckte die dottergelbe Tischdecke in eine Hülle und befestigte daran einen Zettel. Plötzlich wurde ihr schlecht. Die vertraute Angst brach hervor und ließ sie zittern. Dann kam sie zu den beiden heraus. Ihre beiden Kolleginnen schauten mit besorgter Miene hinter ihr her.
Cato Isaksen kam gleich zur Sache. «Sie haben nicht gewusst, dass Ihr Freund Ihre Tochter unter der Dusche belauert hat?», fragte er.
Helena Bjerke riss die Augen auf. «Was sagen Sie da?» Sie legte die Hand gegen die Mauer, wie um dort Halt zu suchen.
«Das hat Kathrine ihrer Freundin Maiken erzählt.»
«Und das glauben Sie.» Helena Bjerke brach in hysterisches Lachen aus. «Herrgott», sagte sie. «Jetzt scheint Ihnen ja der dünnste Vorwand noch gut genug zu sein.»
Cato Isaksen betrachtete sie ruhig. Er kannte diese Reaktionen, das Lachen, das alles glätten und harmlos machen sollte.
«Sie glauben das also nicht?»
«Nein.» Das sagte sie mit harter Stimme. Ihre Schultern sackten ein wenig nach unten. Plötzlich tauchte in ihr eine Erinnerung auf. Etwas meldete sich in ihrem Hinterkopf zu Wort. Es war eine diffuse Erinnerung, die etwas mit Leugnen zu tun hatte. Zweimal hatte sie den Eindruck gehabt, dass ihre Mutter ihr etwas verheimlichte, aber sie hatte nicht wissen wollen, was
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