Spurlos in der Nacht
allein zu sein. Das lag daran, wie es passiert war. Und dann war da ja zu allem Überfluss auch noch die Sache mit Kathrine. Das alles ist so schrecklich. Und das Schlimmste ist ja fast, dass Sie die Sache auch nicht aufklären können. Denn das können Sie doch nicht?» Sie blickte ihn fragend an. «Oder schaffen Sie es doch noch?»
Cato Isaksen erwiderte diplomatisch, er sei davon überzeugt, dass sie am Ende doch noch eine Lösung finden würden. «Das braucht eben seine Zeit», sagte er und fügte hinzu, dass sie mehreren Spuren gleichzeitig folgten.
Solveig Wettergren musterte ihn. «Ich habe heute Morgen lange geschlafen», sagte sie. «Ich zerbreche mir nachts immer wieder den Kopf. Und meine Beine sind auch ein wenig geschwollen. Ab und zu habe ich Angst, ich könnte im Schlaf sterben.»
33
Cato Isaksen beschloss ein wenig früher nach Hause zu fahren. Der Tod seiner Mutter setzte ihm ärger zu, als er sich eingestehen mochte. Er konnte sich nicht konzentrieren. Als er die Abfahrt nach Asker erreicht hatte, bog er dann aber doch nicht ins Zentrum ab, sondern fuhr weiter nach links in Richtung Heggedalen und Hurumlandet. Er wollte in die andere Richtung fahren, wollte von der entgegengesetzten Seite her den Tunnel passieren. Es war eine lange Fahrt, aber es kam ihm beruhigend vor, im Auto zu sitzen. Er versuchte, nicht zuviel zu denken, er ließ die Straße einfach unter dem Auto verschwinden, während die Landschaft vorüberglitt.
Es machte ihm zu schaffen, dass Sigrid beim Tod seiner Mutter dabei gewesen war. Sie waren so perfekt, sie und Hamza. Kümmerten sich immer um andere. Als Gard an Drogen geraten war, hatte er Hamza angerufen, wenn ihm die Lage über den Kopf wuchs. Cato Isaksen wusste, dass seine Mutter sich über die Besuche der beiden sehr gefreut hatte. In den letzten Monaten war sie so verwirrt gewesen, dass sie auch Georgs Schwesterchen für ihre Enkelin gehalten hatte.
Als der Verteilerkreis beim Rainbowhotel in Royken hinter ihm lag, dort, wo der Mann von Heidi Greaker arbeitete, der letzten, die Kathrine in der Nacht ihres Verschwindens gesehen hatte, bog er auf einen Rastplatz ab und hielt an. Er ließ sich zurücksinken und schloss die Augen. In zwei Tagen würde seine Mutter beigesetzt werden. Das Bild ihrer dünnen, hilflosen Hände auf der Bettdecke ließ ihm keine Ruhe. Er hatte alle Anordnungen für die Trauerfeier und den Geistlichen getroffen. Bente hatte für Blumen und eine Gaststätte gesorgt, in der danach die Gäste empfangen werden konnten. Es war gut, dass die Mutter in den letzten Jahren im Heim gelebt hatte, so brauchten sie also keine Wohnung auszuräumen. Sigrid hatte angerufen und gefragt, ob sie die Kleine mitbringen dürften, oder ob sie noch zu klein sei. Sie sagte, seine Mutter sei auch für die Kleine eine Großmutter gewesen. Was hätte er daraufsagen sollen? Er konnte nicht nein sagen. Vetle nahm das alles sehr schwer. Er war ein besonders sensibler Junge. Er hatte dem Vater Vorwürfe gemacht, weil er sich so wenig um die Großmutter gekümmert hatte. Und der Junge hatte Recht. Er hatte viel zu bereuen.
Er nickte kurz ein und schlief zehn Minuten, dann ließ er den Motor wieder an und fuhr weiter. Beim letzten Wegstück vor dem Tunnel lag der glitzernde Fjord auf seiner linken Seite. Die neue Autobahn war der Landschaft sehr geschickt angepasst worden. Hier und dort ragten hohe Steinmauern und Aussichtstürme auf.
Wieder fuhr er in den Tunnel. Und wieder war er von dem bunten Licht fasziniert, einfach von der ganzen Anlage. In regelmäßigen Abständen passierte er die Türen in der Felswand.
Als er das Tageslicht wieder erreicht hatte, fuhr er an der Mautstation vorbei und steuerte das Zentrum von Drøbak an. Er hielt auf dem großen Parkplatz neben dem staatlichen Alkoholladen. Er warf Geld in die Parkuhr und wanderte die Straße entlang. Inzwischen kannte er sich in der kleinen Stadt schon sehr gut aus. Er glaubte, eine junge Mutter mit zwei Kindern zu erkennen, die er bei seinem letzten Besuch hier gesehen hatte. Die alte Biertrinkerin aus dem Hafen war ihm auch schon zweimal über den Weg gelaufen.
Plötzlich stand er vor der großen Holzkirche. «Erlöserkirche», verkündete ein altes Schild über der Tür. Die Kirche war umgeben von grauen und gelben Holzhäusern. Hier hätte Kathrine im Mai konfirmiert werden sollen. Er wusste, dass die Pastorin und der Diakon in Verbindung mit dem Verschwinden vernommen worden waren. Er legte die Hand
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