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Spurlos in der Nacht

Spurlos in der Nacht

Titel: Spurlos in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unni Lindell
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hatte für die fraglichen Abende kein Alibi. Er war viel auf seinem Boot gewesen, behauptete er. Aber das konnte niemand bestätigen. Konnte er die Karte seinem Bruder geschickt und ihn gebeten haben, sie für ihn aufzugeben? Hatten die beiden Brüder irgendein Abkommen geschlossen? Gaben sie nur vor, sich über die Erbschaft und den Verkauf der Kätnerstelle nicht einigen zu können? Cato Isaksen hatte zwei Tage zuvor mit Tage Wolters Mutter und Bruder telefoniert. Die beiden behaupteten noch immer, rein gar nichts über Kathrines Verschwinden zu wissen. Die Techniker hatten Küche und Kühlraum im Einkaufszentrum durchsucht. Eine Boulevardzeitung hatte Wind davon bekommen und am nächsten Tag mit dicken Schlagzeilen darüber berichtet. Wieder richtete sich das allgemeine Interesse au; den Fall Bjerke-Moen.
    Ingeborg Myklebust klopfte vorsichtig an seine offene Tür Cato Isaksen bat sie herein. «Darf ich mich einen Moment setzen?», fragte sie. Als sich ihre Blicke begegneten, fing Catc Isaksen an, einige Papiere auf seinem Schreibtisch zu ordnen. Er konnte ihr nicht viel Neues erzählen. Bei ihr war das anders.   
    «Nichts weist daraufhin, dass an Tage Wolters Arbeitsplatz ein Mensch zerlegt worden sein könnte», sagte sie. «Alle Blut-und Fleischreste stammten von Tieren.» Sie schaute ihn müde an. «Fast ist das schade, wenn ich das so sagen darf. Aber für ihn ist es natürlich eine Erleichterung.»
    Cato Isaksen nickte erschöpft. Damit war auch diese Theorie ins Wasser gefallen. Und sie waren zurück auf Los gegangen. Es war wie ein Spiel, in dem alle dauernd zurück auf Los geschickt wurden. Jetzt gab es keine klaren Anhaltspunkte mehr. Kathrine Bjerke hatte aller Wahrscheinlichkeit nach selbst die Karte aus Schweden geschickt. Hatte sie vielleicht trotz allem ihre Großmutter umgebracht? Er hatte irgendwo gelesen, dass der Grad der seichten Empfindungen bei Psychopathen und Narzissten durchaus variieren könne. Vielleicht hatte Kathrine narzisstische Tendenzen. Ihre Überlegenheit, ihre Neigung, andere zu schikanieren, ihr Kleiderfimmel, dass sie immer am fetzigsten angezogen sein musste. Die psychopathische Überlegenheit zeigt sich oft in die Freude darüber, andere auszutricksen, die narzisstische zeigt sich in Arroganz, dachte er.
    Ingeborg Myklebust musterte ihn gelassen. «Woran denkst du eigentlich?», fragte sie.
    Cato Isaksen sah sie an. Seine Gedanken schienen sich unter einem großen weißen Transparent zu bewegen.
    «Ich weiß nicht so recht», sagte er. «Ich frage mich, wie gerissen eine Vierzehnjährige eigentlich sein kann. Ob bei Kathrine vielleicht eine Persönlichkeitsspaltung vorliegt, solche Dinge.»
    «Dann brauchst du nur in irgendeinem Jugendheim vorbeizuschauen», antwortete Ingeborg Myklebust mit ernster Miene. «Wir wissen doch, dass Kinder ganz schön auf die schiefe Bahn geraten können. Ich wage zu behaupten, dass Kinder sehr viel Bosheit in sich haben können.»   
    Cato Isaksen blickte seine Vorgesetzte skeptisch an. Das hier war vielleicht nicht gerade das richtige Diskussionsthema. Alle wussten doch, dass Ingeborg Myklebust Kinder nicht gerade liebte.
    «Ich denke an André Hansens Live-Gruppe», sagte er deshalb. «Die amüsieren sich nicht mit Teufelsanbetung. Aber irgendwas an diesem Drang, sich zu verkleiden, fällt mir auf. Etwas an der Art, wie sie reden, als fühlten sie sich riesengroß, wenn ich das so sagen kann.»
    «Bist du sicher, dass sie sich nicht mit Teufelsverehrung amüsieren?»
    «Ich weiß es nicht.» Vor ihm auf dem Tisch lag die kleine Spiegelscherbe, die er in Brenda Moens Diele gefunden hatte. Er hob sie hoch. Er wusste, dass er etwas übersehen hatte. Irgendwer manipulierte sie. Er wusste nicht, wer das war, aber es musste sich um eine oder mehrere der beteiligten Personen handeln. Um Personen, die ihre Moral drehen und wenden konnten, ohne krank zu sein. Solche Menschen waren schwer zu durchschauen, da sich die Bezeichnung Psychopathie auf alle Arten von Persönlichkeitsabweichung und auf jeden Mangel an Sympathie und tiefen Gefühlen anwenden lässt. Solche Abweichungen waren den Leuten eben nicht anzusehen.
    Ingeborg Myklebust erhob sich und verließ das Büro. Ellen Grue kam herein. Sie setzte sich auf den Stuhl, den die Abteilungsleiterin eben verlassen hatte. Sie warf eine Zeitung auf seinen Schreibtisch. Die angehende Kronprinzessin bedeckte die ganze erste Seite. Die Zeitungen wimmelten derzeit von Artikeln über die Verlobte des

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