Spurlos in der Nacht
ihn. Er hatte Blut an den Händen, als ich aus der Schule gekommen bin.»
Cato Isaksen registrierte eine Bewegung am Küchenfenster.
«Ich habe gesagt, dass er das Haus nicht verlassen darf» sagte sie und sah den Ermittler an. «Und meine Mutter hat in seinem Zimmer Geld gefunden. Er will nicht verraten, woher er es hat.» Sie bohrte beide Hände in die Taschen ihrer engen Jeans.
Cato Isaksen musterte sie interessiert. «Wieviel Geld» wollte er wissen.
«Nicht so schrecklich viel. Ein paar Hunderter.»
«Hast du noch andere Freundinnen, mit denen du Zusammensein kannst?»
«Wie meinen Sie das?»
Sie hatten den warmen Wind im Rücken. «Du hast doch noch andere Freundinnen außer Kathrine, nicht wahr?»
Maiken wandte sich für einige Sekunden ab, dann drehte sie sich wieder zu ihm. Er bereute seine Frage sofort. Das hier ging ihn nichts an. Er war so dumm. «Verzeihung», sagte er. «Ich wollte dir nicht zu nahe treten.»
«Sie meinen, ich sollte mir eine neue beste Freundin suchen?» Ihre Stimme klang verletzt.
«Ja, das meine ich vielleicht», sagte er.
«Meine Mutter meint das auch», sagte Maiken leise und versetzte einem kleinen Stein einen Tritt. «Sie hat Kathrine nie besonders gut leiden können.»
Cato Isaksen verspürte den plötzlichen Drang, sie an sich zu ziehen. Er wollte es ganz schnell machen, ehe er es bereute und wusste, welche Wirkung das auf sie hatte. Aber stattdessen drehte er sich um und entfernte sich langsam von ihr. Er fühlte sich ungeheuer erleichtert, weil er sie nicht angefasst hatte. Plötzlich griff sie nach seiner Hand.
«Sie dürfen nicht aufgeben», sagte sie. «Sie müssen Kathrine finden.» Ihre Stimme schien zu brechen. Es war deutlich, dass es sie große Überwindung gekostet hatte, seine Hand zu nehmen. Cato Isaksen befreite sich von ihrem Zugriff und verschränkte die Arme, um zu betonen, wie hilflos er sich vorkam.
«Es gibt etwas Neues», sagte er. «Hast du gewusst, dass Kathrine auf ihrem Zimmer etwas versteckt hatte, in einem Karton mit alten Barbie-Puppen?»
Maiken Stenberg schaute ihn verständnislos an. «Nein», sagte sie misstrauisch. «Was denn?»
«Eine Waffe.»
Sie starrte ihn ungläubig an. «Eine Waffe?»
«Ja.»
«Nein, das habe ich nie gehört. Und ist das die Pistole, mit der ihre Großmutter erschossen worden ist?»
«Das wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass sie sie für Kenneths Bruder aufbewahrt hat. Und es ist wohl derselbe Typ wie die, mit der Brenda Moen erschossen worden ist.»
Maiken Stenberg zuckte zusammen. «Für wen hat sie die Pistole denn aufbewahrt, für André oder Stein Ove?»
«Für Stein Ove. Er hat sie beim Militär gestohlen.»
Ihre Miene veränderte sich. «Ich begreife das einfach nicht», sagte sie. «Meinen Sie, dass es Kenneth war?»
«Ich meine gar nichts», sagte Cato Isaksen energisch. «Aber ich dachte, ihr hättet einander alles erzählt, du und Kathrine. Du hast doch selbst gesagt, dass ihr voreinander keine Geheimnisse hattet.»
«Sie glauben doch wohl nicht, dass Kathrine sie umgebracht hat?» Maiken Stenberg brach in Tränen aus. «Ich hätte es Ihnen doch gesagt, wenn ich von der Pistole gewusst hätte.»
Cato Isaksen sah sie an. Dann lächelte er. «Woher hast du diese schönen Haare?», fragte er, um sie abzulenken.
«Von meiner Mutter. Ich sehe meiner Mutter ähnlich.» Maiken weinte immer noch. Die Tränen liefen ihr über die Wangen.
«In der ersten Zeit nach Kathrines Verschwinden hast du Helena Bjerke mehrere Male besucht, nicht wahr?»
«Ja.»
«Kannst du dich noch erinnern, wer sonst noch dort war?»
«Alle, glaube ich. Ich meine, Kenneth und Lars und ihr Vater und ihre Großmutter und ihr Onkel. Und die Nachbarn und die beiden Kolleginnen aus der Reinigung. Es waren immer viele Leute da.»
Cato Isaksen nickte. «Was du über den Stiefvater erzählt hast. Ich weiß nicht, aber manchmal frage ich mich, ob er etwas zu verheimlichen hat. Ob er irgendetwas mit Kathrine gemacht haben kann, verstehst du?»
«Ja», sagte Maiken mit harter Stimme. «Ich verstehe, was Sie meinen. Ich habe sowas in der Zeitung gelesen.»
«Was glaubst du?»
«Nichts. Ich will nicht daran denken.»
«Das musst du aber», sagte er mit harter Stimme und blieb stehen.
«Nein», sagte sie und brach wieder in Tränen aus. «Daran will ich gar nicht denken.»
Cato Isaksen verfluchte seine Unfähigkeit, mit jungen Mädchen zu sprechen. «Tut mir Leid», sagte er und legte ihr die Hand auf die Schulter. Er
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