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Spurlos in der Nacht

Spurlos in der Nacht

Titel: Spurlos in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unni Lindell
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Hansens Live-Gruppe informiert zu werden, war aus Folio eine beunruhigende Nachricht eingetroffen. Die Gruppe hatte nämlich um die Erlaubnis gebeten, in einem Waldgebiet bei Heer, nicht weit von Drøbak, ein Rollenspiel durchzuführen. Sie hatten sich genau an die Vorschriften gehalten und sich an den Besitzer des Waldes, an die Feuerwehr und an die Polizei gewandt. Und die Erlaubnis war erteilt worden. Sie wollten die ganze Nacht durchmachen, weshalb Cato Isaksen glaubte, Zeit genug zu haben. Er hatte Bente noch nicht erzählt, dass er nach dem Bootsausflug mit den Nachbarn noch arbeiten müsste.
    Sie gingen auf das Boot, eine Draco von einundzwanzig Fuß. Die Jungen lachten und liefen auf dem Steg hin und her. Cato Isaksen nahm den Picknickkorb entgegen, den Bente ihm reichte. Es tat gut, sie so zu sehen, braun und guter Dinge. Der Wind blies durch ihre Haare und ließ sie auf und ab wehen. Lächelnd zog sie ihn an sich. Georg und der Nachbarsjunge bekamen Schwimmwesten angeschnallt, liefen zum Bug, legten sich hin und starrten ins Wasser. «Da ist ein Krebs», rief Georg laut und lachte.
    Die ganze Zeit wurde Cato Isaksen von einer inneren Unruhe gequält. Bente merkte das und wollte wissen, was los sei. Er sagte, «gar nichts».
    Als sie gegen halb elf nach Hause kamen, brachte Cato den Jungen zu Bett. Er war quengelig und von den vielen Eindrücken, von Sonne und frischer Seeluft übermüdet. Bente saß mit einem Glas Wein im Garten. Er ging zu ihr hinaus und sagte, er müsse nach Drøbak fahren. Sie setzte die verletzte, resignierte Miene auf, die ihm so sehr auf die Nerven ging. Er setzte sich und erzählte ihr kurz, worum es ging, dass dieses Rollenspiel vielleicht in irgendeiner Beziehung zum Fall Bjerke-Moen stand.
    Von unterwegs rief er Roger an, der an diesem Abend Dienst hatte, und sie beschlossen, sich im Polizeigebäude zu treffen, um dann zusammen weiterzufahren.
    «Ich weiß ja nicht so recht, was wir uns davon versprechen», sagte Roger verdrießlich. «Nicht einmal am Mittsommerabend hat man seine Ruhe. Ich hätte in einer halben Stunde Feierabend machen können. Du erinnerst dich doch an die Frau, von der ich erzählt habe?»
    «Ja.»
    «Sie wartet in ihrer Wohnung in Grorud auf mich. Nackt.»
    «Dein Pech», sagte Cato Isaksen und lachte.

45
    Die Jungen zogen sich hinter einigen hohen Bäumen um. Diesmal waren sie einundzwanzig. Ein Stück weiter unten gab es eine Lichtung, die in einer Schlucht endete. Unten in die Schlucht hatte jemand einige verrottete Baumstämme gelegt. In einem davon klaffte ein Loch. Nils Bergman ging in die Knie und zog etwas heraus.
    Die anderen steckten ihre Kleidung in Plastiktüten und verstauten sie in ihren Rucksäcken, die dann unter einem Baum aufeinander getürmt wurden. Sie hatten makabre Verkleidungen gewählt. Die jungen Leute verwandelten sich in Vampire und Ungeheuer mit langen Umhängen, Schwertern und Masken. Ihre ernsten Gesichter verrieten deutlich, wie wichtig das hier für sie war. Für alle in der Gruppe war die Wirklichkeit nur ein Ersatz. Ein Ort, den man tagsüber aufsuchte. Es war kein Kinderspiel. Es war eine Beschäftigung für hochentwickelte Seelen.
    Beim Umziehen sahen sie einander nicht an. Wichen den Blicken der anderen bewusst aus. Einige machte diese Verwandlung ziemlich nervös. Die Nervosität konnte sich durch Lachen Luft machen, und das könnte die Stimmung verderben. Wer in die andere Wirklichkeit eintreten wollte, musste sich zu hundert Prozent einbringen.
    André Hansen legte eine Maske mit Gesichtsfell an. Ein wohliger Schauer rieselte durch seinen Körper. Er spürte, wie sein Herz klopfte. Er schien zu wachsen, schien tatsächlich zu dem Halbtier zu werden, als das er sich gerade verkleidete. 
    Am Vortag hatte er sich in einem Café in der Stadt mit Solvi getroffen. Sie hatte sich Tee und Kuchen bestellt. Er selber hatte eine Cola vorgezogen. Anfangs hatten sie nicht viel gesagt. Er war ein wenig verlegen. Er kannte sie ja nicht besonders gut. Sie hatten schweigend dagesessen und den endlosen Menschenstrom betrachtet, der vor den Fenstern vorüberwanderte. Danach hatten sie die Spielanleitung mit dem rätselhaften Namen «Brüder der Nacht» durchgesehen.
    Es war ein ziemlicher Unsinn, da waren sie beide einer Meinung. Solvi sah ihn an und lachte. Sie machte ihm ein Kompliment wegen seiner Frisur. Er gab keine Antwort, er wusste nicht so recht, welche angebracht gewesen wäre. Am Ende zog sie ihn ein wenig auf und fragte, ob

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