Spurlos
hatte ein Ranger hundertzwanzig Kilometer von Brisbane entfernt in der Nähe eines Seitenwegs der Straße nach Warwick gefunden. Ihm waren die aasfressenden großen Vögel aufgefallen, die auf den zwei großen Felsbrocken saßen, die man von der Straße aus sehen konnte.
Ein anonymer Anrufer berichtete, McNulty habe im betrunkenen Zustand erzählt, wie er die Frau umgebracht hatte. In McNultys Wagen fand man Haare von Patty und Fasern ihrer Kleidung. Im Kofferraum zwischen Werkzeug, leeren Flaschen, einer schmutzigen Decke und Gummilatschen lag Pattys Unterwäsche. McNulty gestand wenige Stunden nach seiner Festnahme.
Die Verteidigung plädierte auf vermindert schuldfähig, da Richard McNulty einen niedrigen Intelligenzquotienten hatte und psychisch extrem labil war.
„Lassen wir mal McNulty beiseite, woran habt ihr damals gedacht, wer hätte so etwas tun können?“ Tony Costarellis Frage holte ihn wieder in die Gegenwart zurück.
„Wir dachten zuerst an einen Jäger oder an einen Farmer. Jeder Farmer hat ein Gewehr, die meisten können Tiere schlachten und t un es auch. Jäger, Farmer, Fischer…“
„Ärzte?“
„Auch Ärzte .“ Shane nickte.
Costarelli spielte mit der Zigarette, die er nicht anzünden durfte. „Valerie Tate, unsere Tote, war bis vor einem dreiviertel Jahr verlobt. Mit Fraser Bowman, einem Medizinstudenten. Er arbeitet zurzeit auf einer Perlenfarm, zwei Flugstunden von hier. Wir überprüfen ihn gerade. Ich hab’ jemanden zu Valeries Eltern nach Perth geschickt. Sie sind natürlich total geschockt. Sie sagen glatt, sie könnten sich vorstellen, dass Bowman das getan hat. Er hat ihre Tochter schlecht behandelt. Aber natürlich können wir darauf nicht viel geben.“ Costarelli unruhig wippte in seinem Sessel. „Wir befragen die Nachbarn, die Arbeitskollegen, die Kanzlei. Wir durchsuchen ihre Adressen, ihr Handy. Wir warten auf Ergebnisse der Spurensicherung. All meine Leute sind unterwegs. Morgen früh haben wir ein Meeting.“ Er sah müde aus, kniff sich mit Daumen und Zeigefinger in die Nasenwurzel.
„Was ist mit der Datenbank? Wir hatten damals nachgeforscht, ob es ähnliche Fälle in anderen Ländern gab.“ Shane erinnert sich an die schlaflosen Nächte, in denen er ins Büro zurückgefahren ist und weitergearbeitet hat.
„Und?“
„Wir bekamen damals eine Nachricht aus Papua Neuguinea. Allerdings: McNulty war niemals dort gewesen.“ Sie hatten diese Info nach McNultys Geständnis nicht weiter beachtet. Sie schwiegen einen Weile.
„Du hast mich hier ganz schön überfahren. Hast du vorher mit Brisbane telefoniert?“ Insgeheim hoffte er, Costarelli würde nein sagen und er könnte die nächste Maschine nach Brisbane nehmen.
Costarelli grinste schief und zog ein Schreiben von einem Stapel.
„Vom Commiss ioner persönlich. Er hat eingewilligt.“
Shane überflog das Papier und seuftze.
„Ich höre übrigens in drei Monaten auf“, sagte Costarelli.
„Warum?“ Costarellli war nicht älter als fünfzig, so weit er wusste.
Costarelli wollte wohl etwas sagen, behielt es aber für sich, und sagte nur: „Irgendwann ist für jeden Schluss. Ein paar Tage früher oder später…“
„Du hast Recht, Tony. Nach uns machen andere unseren Job.“
„Eben. Jeder ist ersetzbar. Kein Grund zur Traurigkeit.“
„ Du sagst es, Tony: Jeder könnte sich in den alten Fall reinarbeiten, Tony. Ich hab meine letzte Woche und die will ich in Brisbane verbringen.“
Costarelli runzelte die Stirn, sein Blick wurde durchdringend. Er griff auf den Papierstapel rechts von sich und legte die Seite vor Shane.
„ Lies das!“
Es handelte sich um den Bericht der Spurensicherung. Auf dem Stein neben der toten Valerie Tate war ein Zeichen, eine Art ovales Ornament aufgesprüht worden: Dasselbe Zeichen hatten sie auch vor acht Jahren bei der Leiche von Patty Benson gefunden. Sie hatten es nicht deuten können. Und McNulty hatte geschwiegen.
Shane sah auf, direkt in Costarellis Augen.
Costarelli zögerte einen kurzen Moment, dann schlug er eine vor sich liegende Mappe auf und gab ihm die Kopie einer Mail.
„Ist hier angekommen.“
Alles Gute, Detective Shane O’Connor – genießen Sie Ihren wohlverdienten Ruhestand !“
„He, was soll das, Tony? Woher weiß der Kerl das?“
Costarelli hustete bevor er antworten konnte.
„Er muss sich doch nur als Journalist ausgeben und nach dir in Brisbane fragen , Shane.“
„ Da draußen laufen so viele mit Scheiße im Kopf rum , Tony!“
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