Spurlos
Mord an einer Prostituierten. Sie wurde den Krokodilen im East Alligator River zum Fraß vorgeworfen. Es war purer Zufall - oder Glück, dass man überhaupt noch Überreste von ihr gefunden hat. Sonst wäre diese Frau einfach spurlos verschwunden. Costarelli traf diese Frau öfter - auch am Abend vor dem Mord. Er hat Sex mit Prostituierten. Er beschützt sie, deckt sie – und kriegt dafür alles, was er will.“ Sie räusperte sich. „Costarelli war einer der Letzten – oder sogar der Letzte, der Deborah Pitt, lebendig gesehen hat.“
Er wollte sie unterbrechen, doch sie redete weiter.
„Bei den Ermittlungen wurde diese Tatsache unterschlagen. Das weiß ich aus sicherer Quelle. Genauso wie ich aus anderer Quelle weiß, dass er sie getroffen hat. Es wurde vertuscht. Und jeder normal Denkende fragt sich: Warum?“
Er verfluchte sich. Warum hatte er ihr die Tür geöffnet?
„Hören Sie, Mrs. Winger…“
„Alex.“
„Alex, Sie kommen nachts hierher, schwärzen Tony Costarelli an, auf den Sie offenbar ziemlich wütend sind. Ihre Anschuldigungen beruhen auf angeblichen Aussagen nicht genannter Quellen. Wollen Sie sich an Costarelli rächen? Wenn ja, dann verschwinden Sie jetzt auf der Stelle.“ Er stand auf.
„Costarelli steht auf brutalen , harten Sex“, sagte sie leise und schnell.
Welche Geschütze würde sie noch auffahren?
„Das macht ihn nicht zum Killer. Genauso wenig wie Sie, Alex.“
Sie errötete und senkte den Blick. Als sie wieder aufsah, konnte er etwas Ängstliches in ihrem Ausdruck entdecken. Sie machte Anstalten, aufzustehen.
„Moment.“
Widerspruchslos blieb sie sitzen, als hätte sie darauf gewartet, dass er sie zurückhielt.
„Was schlagen Sie vor, was sollen wir tun?“, fragte er.
„Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht zu Ihnen gekommen.“ Der Sat z klang aufrichtig. Sie betrachtete wieder ihre Nägel.
„Können Sie für eine Weile ausziehen, oder noch besser, Urlaub nehmen, wegfahren?“
Sie schüttelte heftig den Kopf. „Ausgeschlossen! Ich habe zwei Fälle …“
„Polizeischutz?“
„Sind Sie verrückt?“
Er besänftigte sie mit einer Handbewegung.
„Ziehen Sie um. Mieten Sie ein Hotelzimmer.“
Ihr Blick glitt über das unpersönliche, und ganz sicher nicht ihren Geschmack treffende Mobiliar. „Ich werde darüber nachdenken. Und danke für die Drinks.“
D iesmal hielt er sie nicht zurück, sagte nur:
„Sie wollen jetzt aber nicht mit dem Auto fahren?“
„Keine Sorge, Detective.“
Er schloss die Tür und überlegte, ob er Costarellli etwas von Alex Wingers Besuch berichten sollte. Er entschied, es zunächst einmal nicht zu tun. Ihre Wut auf Tony war allzu deutlich gewesen.
Donnerstag, 14. Juni
1
Shane drehte sich um und warf einen Blick auf die große Wanduhr gegenüber der Anmeldung. 5 Uhr 15. Die gleiche Zeit wie auf seiner Armbanduhr . Hatte er gehofft, die Zeit ging auf der offiziellen Uhr schneller vorbei? Sein Kopf schmerzte, und das grelle Neonlicht brannte in seinen Augen - er war kein Frühaufsteher. Noch immer war es dunkel. Nur hin und wieder leuchteten hinter der Scheibe Punkte auf, Scheinwerfer von Flugzeugen der Verginadis Pearls Flotte oder der von Pearl Aviation.
Er saß in einer der fünf Sitzreihen aus orangefarbenen Plastikstühlen, die inzwischen fast alle von Arbeitern in kurzen Hosen mit schweren Arbeitsschuhen besetzt waren. Ihre Augen waren auf den Monitor geheftet, in dem gerade ein Video über das richtige Verhalten bei einem Flugzeugunfall lief.
Der Mann neben Shane hatte die Northern Territory News zusammengefaltet auf den Knien liegen. „Fliegen Sie auch zur Goldmine?“, fragte er. Bevor Shane antworten konnte, wurde die Tür geöffnet, Dröhnen der Flugzeugmotoren drang herein. Mit dem Lärm strömte warme, feuchte Luft in den klimatisierten Raum und der Geruch nach Kerosin und Frangipani. Die Arbeiter schoben sich schweigend hinaus.
Shanes Nachbar war sitzen geblieben.
„Nein, ich fliege zu einer Perlenfarm“, antwortete Shane jetzt.
Der kräftige Mann auf dessen Oberschenkeln sich blonde Löckchen ringelten, nickte nur. „Ich hatte gerade frei. Jetzt muss ich wieder für zwei Wochen raus.“
„Wohin?
„Nach Westaustralien. Drei Stunden Flug. Mitten in die Wüste. Mitten ins Nichts.“ Er schnaufte schwer. „Und wie lang bleiben Sie?“
„Nur ein paar Stunden.“
Der Mann musterte ihn. „Journalist?“
„So was Ähnliches, ja.“
Die Augen des Mannes leuchteten auf. Er zeigte mit dem
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