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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Zeigefinger auf ihn. „Ah, Schriftsteller. Sie sind zum Festival da. Writer’s Storm .“
    Das war ihm bisher noch nicht passiert. Spätestens beim zweiten Versuch hatte jeder auf Polizist getippt.
    „Muss ich Sie kennen?“ Er hatte das Interesse des Mannes geweckt.
    „Nein. Ich bin nicht berühmt.“
    Der Mann nickte beruhigt, betrachtete ihn aber immer wieder von der Seite. Er schien sich den Kopf zerbrechen, ob er Shane nicht doch irgendwo einmal gesehen haben könnte. Im Fernsehen warb jetzt ein amerikanischer Hüne für sein Erfolgskonzept: „Stellen Sie sich zuerst die wichtigste Frage: Wonach hungere ich? Und dann setzten Sie alles daran, Ihren Hunger zu befriedigen!“ Prominente oder zumindest solche, die es laut Untertitel sein mussten, berichteten glücklich und erfüllt, wie ihnen das Erfolgskonzept half, Karriere zu machen oder den Traumpartner zu finden. Shane seufzte nicht hörbar.
    Die Tür öffnete sich erneut. “Ihr Flug”, sagt e der Angestellte und sah Shane an.
    „Guten Flug! Und schreiben Sie ein tolles Buch!“ Sein Nachbar nickte ihm zu.
    „Sehen Sie zu, dass Sie Gold finden!“
    „ Geht klar, aber ich darf’s ja nicht behalten!“ Er lachte laut.
    Shane stand auf und folgte dem breiten Rücken des Sicherheitsbeamten nach draußen. Noch immer war es stockfinster und schwül. Motoren dröhnten, Triebwerke heulten auf. Vier zweimotorige Maschinen konnte er in der Nähe ausmachen. Auf eine von ihnen steuerten sie geradewegs zu. Der weiße Lack des Flugzeugs reflektierte jeden Schimmer Licht. Der Sicherheitsbeamte blieb an der Leiter stehen und verabschiedete sich mit einem flüchtigen Griff an die Stirn. Shane stieg hinauf. Offenbar war er der einzige Passagier in dem für sicher fünfzehn Personen konzipierten Flugzeug. Er setze sich in die zweite Reihe auf die rechte Seite und schnallte sich an. Das Dröhnen der Propeller wurde lauter. Ihm fielen die Ohrenstöpsel auf, die in kleinen Tütchen in einem Behälter an der ersten Reihe hingen. Er nahm sich welche, obwohl er das Gefühl der Dinger in seinen Ohren hasste. Die Maschine begann zu zittern. Das Zittern ging in ein Rütteln über, dann rollte die Maschine an und hob ab in den dunklen Himmel.
    Er schloss die Augen und versuchte trotz des lauten Dröhnens ein wenig zu schlafen.
    Irgendwann spürte er ein Rütteln und realisierte, dass er geschlafen hatte. Er sah zum Seitenfenster hinaus. Auf den strahlend weißen Tragflächen spiegelte sich ein leuchtender orangefarbener Streifen.
    Bis in die fünfziger Jahre hinein, hatte er im Prospekt des Perlenunternehmens gelesen, als man noch nach Muscheln tauchte, um das Perlmutt zu verkaufen, und nur in großen Glücksfällen eine Perle fand, stiegen die Taucher mit schweren Metallhelmen und dicken Anzügen in die Tiefe. Durch einen Schlauch pumpte man von Deck Luft hinunter in Anzug und Helm. Doch die Arbeit barg große Gefahren. Tödliche Gase konnten entstehen und zu große Druckunterschiede konnten die Taucher förmlich in ihren Anzügen zerquetschen. Eine Stelle an der Küste Westaustraliens nannte man daher auch Friedhof der Perlentaucher .
    Als Perlentaucher begann auch der junge Tasos Verginadis. Seine Eltern kamen während des Ersten Weltkrieges von einer griechischen Insel nach Westaustralien. Dort bot die Perlmuttindustrie eine der wenigen lukrativen Beschäftigungen und als Tasos alt genug war, heuerte er an. Wie im Märchen – so wurde es zumindest dargestellt, fand er eine wertvolle Perle, verkaufte sie und erwarb im Alter von achtzehn Jahren sein eigenes Perlentaucherschiff. Inzwischen – nach einigen Rückschlägen freilich – gehörte zum Verginadis- Unternehmen eine ganze Flotte von Schiffen, außerdem Flugzeuge, Weingüter und sonstige Immobilien. Das Unternehmen war auf der ganzen Welt zu einer bekannten Luxus-Marke geworden.

    Der Himmels färbte sich erst pink und dann hellblau. Die Grenze zwischen Meer und Küste war eine türkisfarbene, grüne Linie. Ströme weißer Wolken flossen unter der Maschine hinweg. Die Maschine sackte ab und Shane entdeckte auf einmal Landzungen unter sich, die sich ins Blau des Wassers vorschoben. Nach der Uhrzeit zu urteilen müssten sie jeden Moment die Vansittart Bay erreicht haben. Shane sah weiter hinaus. Tiefblaues Wasser umgab bewaldetes Land. Keine Straßen, keine Häuser, nur die feinen Linien schwarzer Bojen auf dem Wasser und ein weißes Schiff konnte er ausmachen. Die Maschine ging tiefer, der Wasserspiegel schien auf

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