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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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verpassen – wenn er wollte. Alex Winger stand vor der Tür – im dunkelgrauen Business-Anzug.
    Sie wartete offenbar auf eine Frage, doch er tat ihr den Gefallen nicht. So standen sie sich einige Sekunden gegenüber, zwei Schauspieler, die ihren Text vergessen hatten.
    „Darf ich reinkommen?“, fragte sie schließlich. Er machte es ihr nicht so einfach, zögerte und trat erst dann zur Seite. Er hatte zwei feuchte, dunkle Abdrücke im beigefarbenen Teppichboden hinterlassen. Mit energischem Schritt ging sie an ihm vorbei durch den engen Flur ins Zimmer. Dortdrehte sich zu ihm um.
    „Es gibt eine Sache, über die ich mit Ihnen reden will.“
    „Eine ziemlich ungewohnte Zeit, finden Sie nicht?“ Aus seinem Haar tropfte Wasser in die Augen und brannte.
    „Ich konnte nicht früher.“ Warum, erklärte sie nicht.
    Er wies zum einzigen Sessel. Sie setzte sich und schlug elegant die Beine übereinander, aber ihre Haltung blieb angespannt.
    „Ich muss mir etwas anziehen.“
    Sie wippte mit der Fußspitze ihres übergeschlagenen Beins. Meinetwegen, aber beeil dich, hieß das, dachte er, und ging ins Bad, wo er rasch Hose und Hemd über zog. Er musste sich unbedingt etwas zum Anziehen kaufen. Hatte er sich doch nur auf einen oder zwei Tage Verhandlung eingestellt.
    „Was machen Sie denn so lange?“, hörte er sie rufen.
    „Was glauben Sie wohl?“, gab er unfreundlich zurück, zog den Reißverschluss seiner Hose zu und warf das getragene Hemd über. Warte ab, was sie zu sagen hat, murmelte er seinem Spiegelbild zu, dann schmeißt du sie raus.
    Er rückte den Stuhl so, dass er ihr schräg gegenüber saß, dazwischen der runde Tisch mit dem Laptop, verschiedenen Zeitungen und einem gebrauchten Glas.
    „ Also?“
    Sie musterte ihn , als überlege sie sich gerade, ob sie nicht doch wieder gehen sollte. Doch dann sagte sie: „Den Absender des Drohbriefes haben Sie ja wohl noch immer nicht gefunden.“
    „Nein.“ Er würde sich nicht provozieren lassen.
    „Nun - e s geht um Valerie Tate.“
    Er wartete.
    „Valerie hatte ein Verhältnis.“
    Die Banalität verblüffte ihn. „Und warum haben Sie das nicht meinen Kollegen gesagt?“
    „Ich mochte die Polizisten nicht.“
    Schon wieder diese Arroganz!
    „Nun, im Gericht hatte ich nicht gerade das Gefühl, dass Sie mich mögen!“, sagte er.
    Sie blieb ernst. „Das war in der Verhandlung.“
    „Sie waren auch vor dem Gerichtssaal nicht gerade sehr nett.“
    „Das gehörte auch zu Verhandlung.“
    „Was? Die Unterstellung, dass ich selbstherrlich und selbstgerecht wäre?“
    Über ihr Gesicht flog ein kurzes Lächeln.
    Dann wurde s ie ernst, blickte auf ihre Hände, die sie auf ihrem übergeschlagenen Bein gefaltet hatte. „Valerie hat es niemandem gesagt. Es war eine heikle Geschichte. Matthew Griffith ist verheiratet. Und noch dazu ist er der Schwiegersohn des Besitzers eines großes Transportunternehmens: van Oosterzee. Sie müssten blind sein, wenn Sie noch keinen seiner Lastwagen oder Container gesehen haben.“
    Er wartete darauf, dass sie weitersprach.
    „Jedenfalls erinnere ich mich, dass Valerie am letzten Nachmittag nervös und unkonzentriert war. Aber sie wollte nicht sagen, was los ist.“
    Ihm war immer noch nicht klar, was sie bei ihm wollte.
    „Warum fragen Sie mich nichts, jetzt, wo ich mich in die Höhle des Löwen gewagt habe?“, sagte sie.
    „Höhle des Löwen?“ Er lächelte. „Meinen Sie mich? Sie sind freiwillig gekommen und Sie können jederzeit wieder gehen, Mrs. Winger.“
    „Alex. Nennen Sie mich Alex.“
    Er sagte nichts. Sie musterte ihn, er musterte sie. Noch immer wurde er nicht schlau aus ihr.
    „Wovor haben Sie Angst?“, fragte er schließlich.
    „Wie kommen Sie darauf, dass ich Angst haben könnte?“ Sie schluckte.
    Die erste Runde hatte er gewonnen . „Wollen Sie nicht doch was trinken?“ Er stand auf, holte die Schale Eiswürfel aus dem Gefrierfach des Kühlschranks und mixte zwei Gin Tonic.
    Schweigend nahm sie das Glas entgegen und trank. Erst als sie es abstellte, sah sie ihn an: „Valerie sah mir ähnlich.“
    „Ja, das ist mir auch aufgefallen. Ich dachte, sieh’ an, Alex Winger ist eine egomanische, narzistische Anwältin.“
    Für einen Moment flog ein kaum merkliches Lächeln über ihr Gesicht. „Wir suchen uns doch immer selbst“.
    „Ich dachte, wir suchen immer den Teil, der uns fehlt?“
    „Sie sind schlagfertiger als ich dachte, Detective.“
    „Welche Chance hat man schon im Zeugenstand?“ Er

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